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Hebi ni piasu als josei-Manga: Ein Skandalwerk wird „bräver“

Kanehara Hitomis „Skandalwerk“ Hebi ni piasu (2003) ist für seine expliziten Sex- und Gewaltszenen bekannt. Wie kann ein solches Werk für eine  josei-Manga-Zeitschrift adaptiert werden, die als Mainstream-Medium gewisse Grenzen im Spektrum des Darstellbaren beachten muss? Saniye Aydemir und Kang Gao haben sich die Manga-Version von Watanabe Peko aus dem Jahr 2004 angeschaut und stellen fest: Hebi ni piasu fällt hier harmloser und dadurch auch etwas banaler aus.

Im Folgenden stellen wir Kanehara Hitomis Werk Hebi ni Piasu 蛇にピアス (dt.„Tokyo Love“) und die gleichnamige Manga-Adaption von Watanabe Peko vor. Zunächst zur Autorin: Kanehara Hitomi 金原 ひとみ wurde am 08. August 1983 in Tōkyō geboren. Mit zwölf Jahren begann sie mit dem Schreiben. Die Schule brach sie ab, weil sie – wie sie selbst gesagt – besseres mit ihrer Zeit zu tun wusste. Neue Eindrücke gewann Kanehara Hitomi durch ein Auslandsjahr in San Francisco. Nach der Rückkehr zog sie aus der Wohnung ihrer Eltern aus, und ihr Vater, Kanehara Mizuhito, versorgte sie mit Büchern, die sie allesamt verschlang – als wollte sie sich mit dem fremden Leben vollstopfen. Als Kanehara 19 Jahre alt war, schockierte sie im Jahr 2004 ganz Japan mit ihrem Buch Hebi ni Piasu („Snakes and Earrings“). Dafür bekam die Autorin zunächst den Subaru-Preis, und anschließend den 130. Akutagawa-Preis, eine Art literarischer Adelstitel in Japan. Damit wurde Kanehara die bisher zweitjüngste Preisträgerin (nach Wataya Risa, die gleichzeitig mit ihr ausgezeichnet wurde).
Kanehara Hitomi hat zwei Töchter, von denen eine 2007 und eine 2011 geboren wurde. 2011 bis 2018 lebte sie mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern in Frankreich. Mittlerweile ist die Familie wieder nach Japan zurückgekehrt. Kanehara Hitomi ist weiter literarisch aktiv und hat weitere Preise gewonnen (u.a. 2012 den Bunkamura Deux Magots Literary Prize für Mazāzu マザーズ [Mothers] und 2020 den Watanabe Jun’ichi Literary Prize für Atarakushia アタラクシア [Ataraxia]).

In Hebi ni Piasu trifft die Protagonistin Rui auf den charmanten Ama, der sie mit seiner gespaltenen Schlangenzunge fasziniert. Sie zieht mit ihm zusammen und geht eine Beziehung mit ihm ein. Rui lässt sich selbst die Zunge piercen, um das Loch schrittweise zu dehnen und letztendlich ihre Zunge zu spalten. Dieser Prozess der Zungenspaltung begleitet Rui durch das ganze Werk. Zusammen mit Ama besuchen sie Shiba, Tattoo- und Bodymodification-Artist und Besitzer des Tattoostudios „Desire“. Rui findet Gefallen an dem rätselhaften Mann und besucht ihn später alleine ohne Ama. Inspiriert von Amas Drachen-Tattoo und Shibas Kirin-Tattoo (ein japanisches Fabelwesen), lässt sich Rui ebenfalls ein großes, von Shiba gestaltetes Motiv auf ihren Rücken stechen. Sie beschreibt, wie der Drache und der Kirin auf ihrem Rücken tanzen und sie bis ans Ende ihres Lebens begleiten würden, symbolisch für ihre Beziehung mit Ama und Shiba. Mit dem Stechen des Tattoos beginnen Shiba und Rui eine sexuelle, sadomasochistische Beziehung, wohingegen Ama vermehrt Rui seine Liebe und Zärtlichkeit beweist.  Hebi ni piasu als josei-Manga: Ein Skandalwerk wird „bräver“ weiterlesen