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Vom Ungeziefer zum Mensch: Murakamis „Samsa in Love“ als Manga-Adaption

Murakami Haruki ist bekanntermaßen ein großer Kafka-Fan. In der Erzählung „Samsa in Love“ zeigt er uns, wie die „Verwandlung“ hätte weitergehen können, wenn Gregor Samsa sich zurück verwandelt hätte: Hier wird nun die Menschengestalt zum Ungewohnten, Irritierenden. Die Manga-Adaption dieser Geschichte von Jc Deveney und PMGL, die uns Henrietta Born und Meike Grolman hier vorstellen, transportiert dieses Gefühl sehr gut.

Samsa in Love oder 恋するザムザ ist eine Kurzgeschichte vom japanischen Schriftsteller Murakami Haruki. Die Geschichte erschien 2013 in Japan in der Sammlung 恋しくて TEN SELECTED LOVE STORIES. Die Geschichte ist eine Fortsetzung von Franz Kafkas berühmter Erzählung „Die Verwandlung“, in der der Protagonist Gregor Samsa nicht stirbt, sondern wieder als Mensch erwacht. Die Manga-Adaption von den französischen Künstlern Jc Deveney und PMGL erschien 2019 in der Reihe Haruki Murakami 9 Stories. Die Sammlung wurde bis jetzt nur in japanischer Sprache veröffentlicht.

Gregor Samsa erwacht verwandelt in seinem Bett. Er weiß nicht, wo er ist. Er weiß nur, dass er ein Mensch ist und Gregor Samsa heißt. Woher er dies weiß, ist ihm nicht bewusst. Genau wie er auch nicht weiß, wer oder was er vorher gewesen sein könnte. So beginnt die Geschichte über Gregor Samsas „Menschwerdung“ bei Murakami Haruki. Gregor kann sich kaum bewegen und jeder Gedanke tut ihm weh. Er versucht seinen Körper zu verstehen und ihn zu bewegen, was ihn jedoch viel Kraft kostet. Als er ein starkes Hungergefühl verspürt, macht er sich auf den Weg etwas zu essen zu finden.  Vom Ungeziefer zum Mensch: Murakamis „Samsa in Love“ als Manga-Adaption weiterlesen

Die Liebe, flüchtig wie ein Glühwürmchen

Obwohl Murakami Haruki gegenwärtig der populärste japanische Autor ist, wurden seine Werke noch wenig in anderen Medien adaptiert. Gerade ändert sich das zumindest für den Bereich Manga: In letzter Zeit sind einige Kurzgeschichten von Murakami als graphische Erzählungen erschienen. Verena Nobel und Maurice Werner stellen hier das Beispiel Hotaru („Glühwürmchen“, 1983) vor, das Moriizumi Takehito für seine Manga-Version von Ende 2019 in poetische Bilder übersetzt hat.

Hotaru (dt. Titel „Glühwürmchen“) ist eine Kurzgeschichte aus der Feder des international gefeierten Autors Murakami Haruki. Die Kurzgeschichte gilt als das Ursprungswerk für einen der bekanntesten Erfolgsromane Murakamis: Noruwei no mori (dt.Titel „Naokos Lächeln“). Hotaru wurde in Deutschland 2009 in einer Sammlung bestehend aus 24 Kurzgeschichten mit dem Namen Mekurayanagi to nemuru onna (dt. Titel „Blinde Weide, schlafende Frau“) veröffentlicht. Erstmals erschienen ist die Geschichte jedoch in der Zeitschrift Chūōkōron im Jahr 1983. Neben den Ausgaben in englischer und deutscher Sprache wurde Hotaru zudem in weitere 10 Sprachen übersetzt.

Wer Murakami kennt, der weiß, dass der Autor in seinen Geschichten gerne über bestimmte übergreifende Themen schreibt. Die Themen Liebe und Verlust, Freundschaft, Versöhnung und Entfremdung bis hin zur sexuellen Identität und dem Tod sind allesamt prominent in seinen Erzählungen vertreten. Auch in diesem Werk Murakamis findet sich der Leser schnell in einer Geschichte über Liebe und die Verarbeitung von Verlust wieder. Hotaru erzählt die Geschichte eines Studenten, der gemeinsam mit der Geliebten seines toten Freundes über dessen Selbstmord trauert. Die Geschichte beginnt mit dem Umzug des achtzehnjährigen Protagonisten nach Tokyo in ein Studentenwohnheim. Nach langer Zeit der Distanzierung trifft er die Freundin seines toten besten Freundes in Tokyo und entdeckt durch die gemeinsamen Spaziergänge durch die Stadt eine längst vergessene Freundschaft neu.  Die Liebe, flüchtig wie ein Glühwürmchen weiterlesen

The Rule of Rubin – von den Erfahrungen professioneller Übersetzer/innen

Onomatopoetika sind ein Problem beim Übersetzen; hier im Manga „In this corner of the world“, (c) Carlsen

Wie dominant ist die Stimme der Übersetzerin oder des Übersetzers in einer Übertragung von Literatur oder Manga? Lilja Heiderich hat sich dazu Gedanken gemacht und nachgelesen, wie erfahrene Übersetzer wie Jay Rubin oder Zack Davisson dazu stehen.

Liest man ein Werk in einer anderen Sprache, als die, in der es geschrieben wurde, gehen die meisten davon aus, dass sie immer noch die Worte des Autors oder der Autorin lesen. Oftmals vergisst man sogar, dass es sich gar nicht um den Originaltext handelt. Ob nun Roman, Comic oder auch Manga – eine Übersetzung bleibt doch eben genau das: Worte, die in eine andere Sprache transferiert wurden.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Es geht nicht nur um die Worte, die auf der Seite geschrieben stehen. Würde man diese direkt übernehmen und dem Lehrbuch nach übersetzen, würde vieles verloren gehen. Auch Emotionen, Witz und kultureller Hintergrund spielen eine wichtige Rolle und tragen zur Gesamterscheinung des Werkes bei. Innerhalb der romanischen Sprachen scheint es machbar, Wort und Witz dem Original getreu oder wenigstens ähnlich zu übernehmen. Schwieriger wird es jedoch, wenn man zwischen zwei Sprachen vermittelt, die in ihrer gesamten Struktur nur wenige Gemeinsamkeiten aufweisen wie vom Japanischen, welches in seinem Aufbau größtenteils einzigartig ist, ins Deutsche oder Englische.

Das bereitet nicht nur Japanolog/innen Probleme, die noch am Anfang stehen, auch professionelle Übersetzer/innen brauchen viele Jahre an Übung und Rat von Muttersprachler/innen, bis sie das Gefühl eines gesamten Werkes einfangen und übersetzen können, ohne dass etwas verloren geht. Um dies zu erreichen, ist es oftmals unvermeidbar, dass die übersetzende Person die Worte selbst in die Hand nimmt und aus Sprache und Kontext etwas Neues formt, was sich liest, als sei es in der übersetzten Sprache geschrieben worden – und das Lesegefühl des Originals dennoch beibehält.  The Rule of Rubin – von den Erfahrungen professioneller Übersetzer/innen weiterlesen

Die Eifersucht – das hatte Tsukuru durch seinen Traum verstanden – ist auf dieser Welt das auswegloseste Gefängnis. Denn es ist ein Gefängnis, in das sich der Gefangene selbst eingeschlossen hat. Er ist nicht mit Gewalt von irgendjemandem eingesperrt worden. Er ist selbst hineingegangen, hat von  innen den Schlüssel umgedreht und ihn selbst durch die Eisenstäbe nach draußen geworfen.

Murakami Haruki (2013): 色彩を持たない
多崎つくると、彼の巡礼の年, S. 47