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Literarische Klassiker in neuem Gewand: Bungô Stray Dogs

Abb. 1 Manga auf Deutsch: Egmont

Im Franchise „Bungô Stray Dogs“ treten die bekanntesten Autoren der modernen japanischen Literatur auf, bekämpfen sich gegenseitig und sehen dabei auch noch verdammt gut aus. Ein deutsches Pendant könnte man sich ungefähr so vorstellen: Thomas Mann, mit schulterlangen Haaren, und ausgestattet mit der besonderen Superhelden-Fähigkeit „Zauberberg“. Das klingt erst einmal schräg, hat sich aber zu einer sehr erfolgreichen Manga- und Anime-Serie entwickelt. Jonas Drechsel und Philipp Eckershoff stellen uns das Franchise vor und erläutern, wie genau die Bezüge zur Welt der Literatur funktionieren. 

Hier auf dem Blog wurden bereits mehrere Autor/innen, deren Werke (und Adaptionen davon) vorgestellt, die der Meiji-Zeit und somit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bis hin zum frühen 20. Jahrhundert entsprungen sind. Autoren wie Mori Ôgai, Dazai Osamu und Akutagawa Ryûnosuke gehören unbestritten zu den literarischen Größen dieser Zeit und ihre Werke sind echte Klassiker – doch welche Relevanz haben sie für die heutige Popkultur? Natürlich finden wir diverse Adaptionen der Originalwerke im Bereich Film und Manga, doch spielen die Autoren auch darüber hinaus eine Rolle für die Jugendkultur des gegenwärtigen Japan? Ein Beispiel dafür liefert uns der Manga „Bungô Stray Dogs“ (jap. 文豪ストレイドッグス, Bungô sutorei doggusu), ein seinen-Manga, der seit 2012 produziert wird und aus der Feder von Asagiri Kafka (Story) und Harukawa Sango (Zeichnungen) stammt. Nicht nur die Hauptfiguren dieses Manga, sondern auch andere Elemente wurden durch verschiedenste Autoren der modernen japanische Literatur und deren Werke inspiriert. Wie sich das äußert, stellen wir im Folgenden anhand einiger Beispiele genauer dar.

Bevor wir auf den Inhalt des Mangas selbst eingehen, müssen wir jedoch zuerst Bezug auf den Autor hinter „Bungô Stray Dogs“ nehmen. Denn auch dieser hat einen berühmten Autor des frühen 20. Jahrhunderts als Inspiration herangezogen, Franz Kafka, bekannt für sein Werk „Die Verwandlung“, zu dem wir hier auf dem Blog auch einige Artikel haben. Da davon auszugehen ist, dass sowohl der Künstlername des Autors als auch die Verwandlung des Protagonisten in „Bungô Stray Dogs“ (auf den wir gleich noch eingehen) Anlehnungen an das bekannte Werk des deutschsprachigen Schriftstellers sind, wird von vornherein eine gewisse Verbundenheit zur Literatur deutlich. Aber nicht nur Franz Kafka diente an dieser Stelle als Inspiration; tatsächlich sind die meisten wichtigen Figuren in Asagiris Manga benannt nach prominenten Vertretern japanischer, und später auch russischer und amerikanischer Literatur. So stößt man im Manga selbst auf Dazai Osamu, Akutagawa Ryûnosuke, F. Scott Fitzgerald, Mark Twain und Nakajima Atsushi, welcher als Hauptfigur und somit Dreh- und Angelpunkt der Geschichte auftritt. Angesiedelt ist die Geschichte des Manga in einer fiktiven Version von Yokohama, angelehnt an die reale Großstadt direkt neben Tokyo, was vor allem durch die Abbildung prominenter Sehenswürdigkeiten zur Geltung kommt. Das beliebte Riesenrad „Cosmos Clock 21“, das man in der Hafengegend Yokohamas nur schwer übersehen kann, ist etwa Teil einiger Werbeposter und auch im Anime zu sehen. In einem ruhigen Teil genau dieser Stadt wird der junge Streuner Atsushi durch den erfahrenen Detektiv Dazai Osamu für die Armed Detective Agency rekrutiert, ein Zusammenschluss verschiedener Individuen, die sich den Schutz Yokohamas vor den dunklen Machenschaften der sogenannten Port Mafia zur Aufgabe gemacht haben. Der Clou des Ganzen? Alle Figuren besitzen spezielle Fähigkeiten, am ehesten zu vergleichen mit Superkräften, die nicht nur nach bestimmten Buchtiteln jener Autoren benannt sind, sondern meistens grob Inhalte oder Kernaussagen dieser Werke widerspiegeln.

Abb. 2 Tigergestalt Nakajimas

Wie bereits kurz erwähnt zeigen sich bei dem Protagonisten der Serie, Nakajima Atsushi, Hinweise auf das Werk Kafkas, was auch auf den Fakt zurückzuführen ist, dass „der echte“ Nakajima Atsushi (1909–1942) von Franz Kafka beeinflusst war. So handelt Nakajimas Erzählung Sangetsuki (山月記, „The Moon over the Mountain“, 1942) von einem Poeten im Tang-zeitlichen China, der sich in einen Tiger verwandelt, was als Parallele zur Erzählung „Die Verwandlung“ gesehen werden kann. In dem Manga kommt diese Transformation in Atsushis Fähigkeit, „Beast Beneath the Moonlight“ (jap. 月下獣 gekkajû), zum Ausdruck. Diese erlaubt es ihm, sich in einen „Wertiger“ (das Tiger-Pendant zum Werwolf) zu verwandeln und so seine körperliche Stärke um ein Vielfaches zu multiplizieren. Die Tigergestalt wird im Manga sehr dynamisch und teilweise abstrakt dargestellt (vgl. Abb. ). Literarische Klassiker in neuem Gewand: Bungô Stray Dogs weiterlesen

Der Horror des Menschseins: Itô Junjis Ningen Shikkaku

Ningen Shikkaku von Dazai Osamu ist ein erschreckendes, verstörendes Werk. Da liegt es gar nicht so fern, diesen Klassiker der modernen japanischen Literatur ins Horror-Genre zu überführen. Der Meister des Horror-Manga, Itô Junji, hat dieses Projekt gewagt und eine Version mit noch mehr Toten, halluzinativen Bildern und einem Auftritt des Autors geschaffen. Malina Sieger und Lisa Schulz geben uns hier einen Einblick in dieses Monumentalwerk.  

In diesem Artikel stellen wir eine Manga-Adaption von Dazai Osamus Roman Ningen Shikkaku  (dt. Titel  „Gezeichnet“) vor. Der gleichnamige Manga wurde 2017 bis 2018 von dem berühmten Horror-Manga-Künstler Itō Junji für das seinen-Magazin Big Comic Original gezeichnet und im Februar 2019 in Übersetzung beim englischen Verlag VIZ Media unter dem Titel „No Longer Human“ veröffentlicht. Das Original von Dazai Osamu wurde 1948 vom japanischen Verlag Chikuma Shobō im Serienformat in der Zeitschrift Tenbō veröffentlicht, woraufhin 1958 die englische Übersetzung folgte. Es handelt sich dabei um ein stark autobiografisch beeinflusstes Werk, welches unter anderem Themen wie Suizid und Drogenabhängigkeit behandelt. Der Autor beging kurz nach der Veröffentlichung des letzten Teils des Werkes selbst Suizid. No Longer Human wird als Dazais Meisterwerk gehandelt und ist bis heute der am zweitmeisten gelesene Roman in Japan, während der erste Platz Natsume Sōsekis Kokoro vorbehalten bleibt. Der Roman wurde bereits mehrfach als Manga, Film und Anime (Serie und Film) adaptiert.  Der Horror des Menschseins: Itô Junjis Ningen Shikkaku weiterlesen

Verstörend wie eh und je: Ningen Shikkaku im digitalen Zeitalter

Wie würde die Geschichte von Ôba Yôzô wohl heute verlaufen? Margarethe Betz stellt hier eine Manga-Adaption von Dazai Osamus Ningen Shikkaku vor, die der bekannte Mangaka Furuya Usamaru umgesetzt hat. Der Protagonist veröffentlicht hier seine Lebensbeichte als Blogartikel, und auch sonst ist die Geschichte in der Jetzt-Zeit angekommen. Von ihrem Potential, Leser/innen zu verstören, hat sie dabei nichts verloren. 

Dazai Osamu ist einer der bedeutsamsten Autoren der modernen japanischen Literatur. Sein wohl bekanntestes Werk ist der shishôsetsu („Ich-Roman“) Ningen shikkaku (deutsch: „Gezeichnet“, 1948), welcher das von Verlorenheit und Schuldgefühlen geprägte Leben eines jungen Mannes schildert. Im Laufe der Jahre wurde das Werk mehrfach in verschiedenen Medien adaptiert. Eine solche Adaption wurde Ende der 2000er von dem Mangaka Furuya Usamaru angefertigt und wurde unter dem gleichen Titel wie seine literarische Vorlage (Ningen shikkaku, im Englischen auch No longer human) von 2009 bis 2011 durch den Verlag Shinchôsha publiziert. Der Manga erschien zunächst in der Zeitschrift Weekly Comic Bunch, wurde aber dann, nachdem diese nach der Veröffentlichung ihres letzten Exemplars im Herbst 2010 eingestellt wurde, von Monthly Comics @Bunch übernommen. Beide Zeitschriften richteten sich primär an eine seinen-Zielgruppe, also an eine erwachsene männliche Leserschaft. Er wurde anschließend in drei Sammelbänden veröffentlicht und wenig später durch den Verlag Vertical ins Englische übersetzt. Für diese Übersetzung wurde eine gespiegelte Version der Adaption angefertigt, welche sich von links nach rechts liest und nicht, wie es sonst bei Manga üblich ist, von rechts nach links. Interessanterweise erschien der erste gebundene Band der Reihe ungefähr zum 100. Geburtstag von Dazai Osamu.  Verstörend wie eh und je: Ningen Shikkaku im digitalen Zeitalter weiterlesen

Ningen Shikkaku: Ein Leben zwischen Clownerie und Verzweiflung

Diese Woche widmen wir uns Ningen Shikkaku von Dazai Osamu, einem der bekanntesten Werke der modernen japanischen Literatur. Julia Schmeisser und Denise Schroeren stellen uns eine Manga-Adaption dieses Klassikers vor, die in der Reihe Manga de dokuha erschienen ist. Diese Version zeichnet sich durch besonders expressive Mittel aus, wie zum Beispiel die „Gesichtslosigkeit“ der meisten Figuren.

Dazai Osamu gilt als einer der gefeiertsten Autoren des 20. Jahrhunderts in der japanischen Literatur. Besonders sein Werk Ningen Shikkaku (jap. 人間失格, dt. etwa: „als Mensch disqualifiziert“, 1948) – „Gezeichnet“ in deutscher Übersetzung – erfreut sich weltweit großer Beliebtheit. Sogar Dazai selbst spricht davon, dass Ningen Shikkaku sein bestes Werk sei. Dieses Buch, welches von Schwermut und den tiefen Abgründen des menschlichen Geistes erzählt, gehört zu den meistgelesenen Klassikern der Nachkriegszeit.
In der Manga-Reihe Manga de dokuha (jap. まんがで読破, dt. „Durchlesen mit Manga/Comics“, erscheint seit 2007) des Verlages East Press wird Dazais Geschichte bildstark aufgearbeitet. Manga de dokuha hat das Ziel, der jungen japanischen Leserschaft Literatur näher zu bringen; in der Reihe finden sich auch politisch geprägte Werke wie Kanikôsen („Das Fabrikschiff“) von Kobayashi Takiji (1929) im Manga-Format. Die literarischen Vorlagen werden durch Maruo Kôsuke schriftlich aufgearbeitet und herausgegeben, während das Künstler-Kollektiv Variety Art Works die Manga zeichnet. Einige der Bände, unter anderem Teile von „Gezeichnet“, wurden von der amerikanischen Scanlation-Plattform JManga ins Englische übersetzt.  Ningen Shikkaku: Ein Leben zwischen Clownerie und Verzweiflung weiterlesen