Nihilismus und Fanatismus in “Onward towards our noble Death”

Mizuki Shigeru ist vor allem für seine Manga bekannt, die sich um japanische Ungeheuer (yôkai) drehen. Er war jedoch auch einer der ersten, der seine Erfahrungen im Pazifikkrieg (er wurde 1943 als Soldat in Rabaul auf Neubritannien stationiert) in einem autobiographisch inspirierten Manga verarbeitete. Das 1973 erschienene Werk Sōin Gyokusai Seyo! stellt uns hier Thomas Twickler vor.

In Sōin Gyokusai Seyo! (dt. „Auf in den Heldentod“, engl. „Onward towards our noble Death“) wird der Pazifikkrieg behandelt, genauer gesagt die Traumata, die dieser Krieg für die japanischen Soldaten mit sich brachte. Der Autor, Mizuki Shigeru (1922-2015), ist selbst Teil der kaiserlich japanischen Armee gewesen und hat die Schrecken des Krieges am eigenen Leib erfahren. Er sah Kameraden sterben, wurde Opfer einer unmenschlichen Führung und kehrte nur durch glückliche Fügung mit seinem Leben, jedoch ohne seinen linken (dominanten) Arm nach Japan zurück. Diese Erlebnisse prägten ihn schwerwiegend, so dass er zum Pazifisten wurde. Man kann den Manga also mit gutem Gewissen als Trauma-Bewältigung betrachten. Das Werk wurde zuerst als Oneshot-Manga im Jahr 1973 vom Kodansha-Verlag veröffentlicht. Seitdem hat es mehrere Neuauflagen gegeben, Übersetzungen ins Englische und Deutsche, sowie eine Fernsehadaption, die mit Preisen ausgezeichnet wurde. Aber auch der Manga selbst erhielt nationale und internationale Kunst- und Kulturpreise für seine Botschaft. Auf Deutsch ist das Werk 2019 im Reprodukt-Verlag erschienen.

Der Manga spielt in der Zeit des zweiten Weltkrieges, genau genommen im Pazifikkrieg. Nach dem Angriff auf Pearl Harbor erklären die Vereinigten Staaten Japan den Krieg. Japan, welches zu diesem Zeitpunkt einen beachtlichen Anteil des Asiatischen Seeraums eingenommen hatte, versuchte dem amerikanischen Vormarsch etwas entgegen zu setzen. Auch wenn die japanische Flotte zu Beginn des Konflikts technisch überlegen war, so war jedoch außer Frage, dass Japan unter der wirtschaftlichen Übermacht der USA erdrückt werden würde. Die Überflügelung im technischen Bereich durch die Amerikaner und das Ende des europäischen Kriegsschauplatzes beschleunigten dies lediglich. Der Krieg zwischen den USA und Japan, welcher zu diesem Zeitpunkt schon auf japanischen Hoheitsgebiet stattfand, endete mit dem Abwurf zweier Atombomben auf die Städte Hiroshima und Nagasaki, was die Kapitulation Japans zur direkten Folge hatte.

Innerhalb dieses Konflikts betrachtet der Manga die Schlacht um Neuguinea, die von Januar 1942 bis zum Kriegsende andauerte. Wie der Name nahelegt, fand diese Schlacht im zuvor von Australien kontrollierten Neuguinea statt. Dieser Kriegsschauplatz zeichnet sich durch starke Verluste und die Tatsache aus, dass Hunger und Krankheiten mehr japanische Leben forderten als der Feindkontakt. Durch Blockaden schnitten die alliierten Streitkräfte die eingeschlossen Japaner von Versorgungsgütern ab. Zugleich beschreibt der Historiker John Laffin den Neuguinea-Konflikt als den beschwerlichsten Konflikt des zweiten Weltkriegs von alliierter Seite.

Der Manga betrachtet einen Ausschnitt aus dem Leben des Soldaten Maruyama, eine Art alter Ego von Mizuki Shigeru, durch das er viele Erfahrungen, die er als Soldat gemacht hat wiedergibt. Dennoch ist das Werk nicht eindeutig eine Autobiographie, sondern lediglich an seine Erfahrungen angelehnt. Es behandelt die Vorbereitung zum Kampf gegen die Amerikaner, ebenso wie die Kämpfe selbst. 

Sōin Gyokusai Seyo! ist ein Manga der Kontraste. Sowohl künstlerisch als auch inhaltlich arbeitet Mizuki mit Gegensätzen. Ein optisch deutlich hervortretender Kontrast wird durch den Zeichenstil erreicht. Die Welt um die Soldaten herum ist sehr realistisch gehalten, mit tiefen Schatten und hohem Detailgrad. Im Gegensatz zu dazu sind die Soldaten sehr simpel gezeichnet. Sie zeichnen sich durch fehlende Schattierungen und comicartigen gleiche Züge aus (vgl. Abb. 1). Jedoch wird auch unter den Soldaten noch einmal differenziert. Truppführer und Angehörige der Kommandoebene weisen kantige Gesichtszüge und eine grimmige Optik auf, während die einfachen Soldaten eher dem Klischee des freundlichen aber einfach gestrickten Mannes zu entsprechen scheinen. Uniformdetails sind nur sehr rudimentär ausgeprägt, wodurch ein Rangunterschied nur an der Betitlung eines Charakters durch Andere erkennbar ist. Jedoch gibt es auch Stellen, an denen die Figuren, ihre abstrakte Form zu verlieren scheinen und detaillierter dargestellt werden: Wenn sie selbst sterben und damit auch zum Teil der Szenerie werden.

Abb. 1: Onward towards our noble deaths, S. 333

Einen weiteren Kontrast zu dem realistischen Zeichenstil bilden die Onomatopoetika, die in simpler Comic-üblicher Form dargestellt werden und die realistischen Hintergründe deutlich brechen.

Aber nicht nur optisch unterscheiden sich die einfachen Soldaten von ihren Vorgesetzten auch im Charakter stehen sie im Kontrast. So haben die einfachen Soldaten einfache Sorgen. Das nächste Essen, ob sie von dem Wasser krank werden und der gleichen. Im Gegensatz dazu konzentrieren sich die Vorgesetzten mehr auf den Krieg und dessen Ziele. Ihr einziges Ziel innerhalb des Mangas scheint es zu sein, ihre eigenen Soldaten in der Schlacht zu verheizen. Den einfachen Soldaten ist dies bewusst, jedoch begehren sie dagegen nicht auf. Sie folgen weiter ihren Befehlen obwohl sie wissen, dass sie hiermit in den Tod gehen. Das gesamte Werk ist damit durch einen gewissen Nihilismus geprägt.

So hält der Soldat Yokoi einen seiner Kameraden davon ab, stehendes Wasser im Dschungel zu trinken, da dies ihn nur krank machen würde. Sein Kamerad jedoch erwidert, dass es doch völlig egal sei, wenn er durch das Wasser krank werden würde, da sie am nächsten Tag bereits einen Selbstmordangriff durchführen sollen. Als der Soldat dann erzählt, dass er das Testament und Briefe eines anderen Soldaten bei sich trage, fragt Yokoi in einem Anflug schwarzen Humors, ob er plane als einziger zu überleben.

Die Situation der Soldaten wirkt finster und auf eine gewisse Art aussichtslos. Es gibt nur sehr kleine Freuden, wie dass es endlich nach einem Regen möglich ist sich zu waschen, aber selbst diese Freuden werden von Problemen verdunkelt.

Trotz der grimmigen und finsteren Situation wirken die Soldaten eher akzeptierend denn niedergeschlagen. Sie machen den Eindruck als würden sie Dinge wie den Selbstmordangriff und die schlechten Bedingungen mehr als Naturphänomene sehen und weniger als Missachtung ihrer Würde durch ihre Führung. Es scheint kein wirkliches Aufbegehren zu geben. Nur gegen Ende des Mangas, wenn der sie führende Offizier sich kurz vor dem Beginn des Selbstmordangriffes abzusetzen versucht, kommt es zu einem klarem Konflikt zwischen den einfachen Soldaten und ihrer Führung. Selbst hier geht es jedoch weniger um den eigentlichen Sinn dieses Angriffs als vielmehr darum, dass sich der Offizier aus dem Staub machen will, also nicht bereit ist mit seinen Soldaten zu sterben. Denn damit endet der Manga. Die gesamte Einheit kommt bei dem Angriff auf unschöne Weise ums Leben. Hierbei unterscheidet sich der Manga von Mizukis Lebensgeschichte, da dieser den Krieg überlebte.

Insgesamt wird hier ein Gegenbild zum Propaganda-Ideal des heroischen Soldaten entworfen, der stolz für sein Vaterland stirbt. „Auf in den Heldentod“ ist eine grimmige und düstere Darstellung der Schrecken des Krieges, die eine gnadenlose Führung ohne Respekt vor den eigenen Gefolgsleuten porträtiert. Das Werk ist klar als Anti-Kriegswerk zu werten.

Thomas Twickler

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