George Takei (geb. 1937) ist nicht nur durch Star Trek bekannt, er ist auch eine einflussreiche Social-Media-Persönlichkeit (9.9 Mio Follower auf Facebook, 3 Mio auf Twitter). Seine Popularität hat er jetzt genutzt, um auf ein Thema aufmerksam zu machen, das ihn persönlich betrifft und bewegt: Die Internierung von japanischstämmigen Amerikanern während des zweiten Weltkrieges. In der Graphic Novel They Called us Enemy (2019), die uns Chiara Borgmann hier vorstellt, erzählt er auf eindrückliche Weise seine Familiengeschichte.
Nach dem Angriff auf Pearl Harbor am 7. Dezember 1941 während des zweiten Weltkriegs fingen die Anfeindungen gegenüber der japanischstämmigen Bevölkerungen in den USA an. Bald darauf wurden eben diese Menschen in Lagern zusammengepfercht und mussten dort jahrelang im Ungewissen leben. Dieses Schicksal widerfuhr auch George Takei, dem berühmten Schauspieler, der die Rolle des Hikaru Sulu in vielen Star-Trek-Verfilmungen gespielt hat. Da dieses Thema immer noch weit im Hintergrund steht und nicht sehr viel Bekanntheit in den Breiten der Bevölkerung erlangt hat, entschied er sich (in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Harmony Becker und den Co-Autoren Justin Eisinger und Steven Scott), seine Autobiografie in der Form einer Graphic Novel mit dem Titel They Called Us Enemy herauszubringen.
Wie bereits erwähnt ist es eine autobiografische Geschichte und erzählt viel vom Leben George Takeis während seiner Kindheit, angefangen vom Kennenlernen seiner Eltern, bis zum Neuanfang seiner Familie, nachdem sie das Internierungslager endgültig verlassen hatten. Die Geschichte fesselt sehr schnell durch die moderne Aufmachung und die detailreichen Zeichnungen. Besonders toll dabei ist die Darstellung der Emotionen auf den Gesichtern der Charaktere, die einen beim Lesen schnell in den Bann ziehen und es erlauben richtig mitzufühlen.
Man betrachtet das Geschehen hauptsächlich durch die Augen Georges im Kindesalter, wobei Anmerkungen und Erklärungen des erwachsenen Georges die Handlung ergänzen. Seine Eltern lernen sich in den USA kennen (wo seine Mutter als Kind von japanischen Einwanderern geboren wurde), und heiraten auch dort. George und sein kleiner Bruder werden in den USA geboren und wachsen dort auch auf – zunächst in einem Einfamilienhaus, das sich die Eltern erarbeitet haben. Nach der Kriegserklärung der USA gegenüber Japan richtet die amerikanische Regierung die sogenannten Internierungslager ein, die dafür erschaffen wurden um die „japanische Bedrohung“ einzudämmen. Japanischstämmige Bürger werden von fast allen anderen als bedrohlich wahrgenommen und sie werden behandelt wie zukünftige Terroristen – dabei ist es egal, ob sie als erste Generation in den USA sind, oder ob die Familien schon in der zweiten oder sogar dritten Generation dort leben.
Man sieht in der Graphic Novel, wie der gesamte Besitz, einschließlich des Hauses und Grundstücks, beschlagnahmt wird. Georges Familie muss innerhalb weniger Stunden packen, wobei sie nur wenige Taschen mitnehmen dürfen, und das Haus mit unbestimmtem Ziel verlassen. Diese Szene wird in der Graphic Novel besonders emotional dargestellt (vgl. Abb. 1 links). Zuerst kommt die Familie in eine umgebaute Pferderanch, wo sie in engen, dreckigen Pferdeboxen leben müssen. Kurz darauf werden sie in ein extra dafür gebautes Lager umgesiedelt, das aus in Blöcken angelegten Baracken besteht, welche den deutschen Konzentrationslagern stark ähneln. Dort müssen sie sich an die engen Lebensverhältnisse hinter Stacheldraht-Zäunen gewöhnen und sich in die dortige Gesellschaft einfügen. Georges Vater spricht fließend Japanisch und Englisch, wodurch er häufig vermittelt und schnell zum Block-Sprecher mit Privilegien wird.

Alles scheint für Takeis Familie einigermaßen gut zu laufen, doch dann kommt ein Fragebogen an, den alle Lagerbewohner ausfüllen müssen. Es sind viele unwichtige Fragen dabei, doch zwei beziehen sich auf die Bereitschaft, bedingungslos den USA zu dienen (d.h. u.a. auch als Soldat an der Front) und alle Verbindungen nach Japan abzubrechen und zu leugnen. Leute die dies mit nein beantworten werden „No-Nos“ genannt und als Verräter an den USA behandelt. Georges Eltern verneinen ebenfalls beides und werden deshalb mit den Kindern zusammen erneut verlegt. Das neue Lager ist das östlichste und am meisten bewachte, da es für Verräter gedacht ist. Die Bewohner haben weniger Freiheiten, die Zäune sind höher und die schwer bewaffneten Wachmänner stehen auf hohen Wachtürmen. In diesem Lager bleibt die Familie Takei dann auch bis nach dem Ende des Krieges. Gegen Ende des Krieges wird den Menschen dort angeboten, dass sie ihre amerikanische Staatsbürgerschaft aberkennen lassen können, damit sie weiter in den Lagern bleiben dürfen. Viele Leute haben mittlerweile Angst vor der Außenwelt, da sie so lange in den Lagern waren und draußen nur angefeindet wurden, und nehmen dies an – darunter ist auch Georges Mutter, die damit ihre Kinder schützen möchte. Auch Jahre danach versucht sie dagegen vorzugehen und schafft es letztlich mit der Hilfe eines Anwalts, der vielen damals geholfen hat, ihre Staatsbürgerschaften wiederzuerlangen.
Nachdem sich die Lager nach dem Kriegsende immer weiter leeren, entscheidet sich auch die Familie Takei auszuziehen, obwohl sie mit nichts dastehen und komplett von vorne anfangen müssen. Von da an sieht man, wie sich die Familie langsam ein Leben aufbaut und die Kinder zum ersten Mal auf eine normale Schule gehen können.
Die Künstlerin Harmony Becker ist eine multi-kulturelle Zeichnerin, die ein starkes Interesse an Sprachen, Übersetzungen und sprachlichen Brücken zwischen Personen und Gruppen hat. Dies zeigt sich auch stark in der Graphic Novel. Man kann z.B. stellenweise Japanisch in den Sprechblasen sehen, während die Übersetzung nur klein als Anmerkung unten angeführt wird; gleichzeitig gibt es auch eine unübersetzte Stelle und Georges Mutter benutzt an einer Stelle Japanisch, welches allerdings in Romaji, dem romanischen Alphabet, ausgeschrieben wird. Es wird also gerne mit dem Medium Sprache gespielt und bewusst eingesetzt.
Neben den Geschichten aus seiner fernen Vergangenheit springt George Takei immer wieder in der Zeit zu seinem erwachsenen Ich (wie zum Beispiel bei seinem TED Talk, Abb. 1) und schafft dadurch eine Verbindung zwischen der Vergangenheit und Gegenwart. Dies verdeutlicht, dass diese Geschichte für ihn nicht vorbei ist, sondern immer ein offenes und gegenwärtiges Kapitel seines Lebens ist. Dadurch, dass man die Geschichte durch die Augen eines Kindes sieht, jedoch die Anmerkungen des erwachsenen Georges hat, entwickelt sich eine Meta-Ebene, die die vorherige Verbindung zwischen den Zeitebenen zusätzlich verstärkt. Der „alte George“ erklärt vieles, was er als Kind in den entsprechenden Szenen noch nicht begreifen konnte und macht es dadurch möglich, auch seine Eltern und ihre Sorgen zu verstehen.
Abgesehen davon geht George auch viel auf die politischen Situationen ein und zeigt häufig Politiker bei Reden sowie Flyer und Zeitungen in den Szenen zwischen der Familiengeschichte. Dies bestärkt den Leser in dem Glauben an die Wahrhaftigkeit seiner Geschichte und zeigt zusätzlich die zeitgenössischen politischen Hintergründe. Am Ende der Graphic Novel geht Takei zusätzlich auf die politische Situation der letzten Jahre ein und bezieht damit nicht nur eindeutig Stellung, sondern zeigt dem Leser als Resümee nochmal auf, dass die Fehler der Vergangenheit auf keinen Fall wiederholt werden sollten.
Diese außergewöhnlich gut gezeichnete Geschichte, die trotz vielen komplexen Themen und Hintergründen leicht lesbar und verständlich ist, hat mir persönlich ein Thema aufgezeigt, von dem ich nicht wusste, dass es überhaupt existiert, und ich kann das Lesen nur jedem empfehlen. Es bildet nicht nur weiter, sondern ist auch schön anzuschauen und regt zum Nachdenken an, da Georges Geschichte einen völlig neuen Winkel der Betrachtung auf den Pazifikkrieg anbietet. Die meisten Manga und Graphic Novels, die einen japanischen Aspekt des zweiten Weltkriegs beleuchten, finden auf japanischem Boden statt, während Georges Geschichte den Blick auf die japanische Bevölkerung und die japanischstämmigen Familien lenkt, die in den USA leben. They Called Us Enemy erschienen 2019 auf Englisch, umfasst ungefähr 200 Seiten und ist mittlerweile auch auf Deutsch erhältlich (Cross Cult Verlag).
Chiara Borgmann