Die Liebe, flüchtig wie ein Glühwürmchen

Obwohl Murakami Haruki gegenwärtig der populärste japanische Autor ist, wurden seine Werke noch wenig in anderen Medien adaptiert. Gerade ändert sich das zumindest für den Bereich Manga: In letzter Zeit sind einige Kurzgeschichten von Murakami als graphische Erzählungen erschienen. Verena Nobel und Maurice Werner stellen hier das Beispiel Hotaru („Glühwürmchen“, 1983) vor, das Moriizumi Takehito für seine Manga-Version von Ende 2019 in poetische Bilder übersetzt hat.

Hotaru (dt. Titel „Glühwürmchen“) ist eine Kurzgeschichte aus der Feder des international gefeierten Autors Murakami Haruki. Die Kurzgeschichte gilt als das Ursprungswerk für einen der bekanntesten Erfolgsromane Murakamis: Noruwei no mori (dt.Titel „Naokos Lächeln“). Hotaru wurde in Deutschland 2009 in einer Sammlung bestehend aus 24 Kurzgeschichten mit dem Namen Mekurayanagi to nemuru onna (dt. Titel „Blinde Weide, schlafende Frau“) veröffentlicht. Erstmals erschienen ist die Geschichte jedoch in der Zeitschrift Chūōkōron im Jahr 1983. Neben den Ausgaben in englischer und deutscher Sprache wurde Hotaru zudem in weitere 10 Sprachen übersetzt.

Wer Murakami kennt, der weiß, dass der Autor in seinen Geschichten gerne über bestimmte übergreifende Themen schreibt. Die Themen Liebe und Verlust, Freundschaft, Versöhnung und Entfremdung bis hin zur sexuellen Identität und dem Tod sind allesamt prominent in seinen Erzählungen vertreten. Auch in diesem Werk Murakamis findet sich der Leser schnell in einer Geschichte über Liebe und die Verarbeitung von Verlust wieder. Hotaru erzählt die Geschichte eines Studenten, der gemeinsam mit der Geliebten seines toten Freundes über dessen Selbstmord trauert. Die Geschichte beginnt mit dem Umzug des achtzehnjährigen Protagonisten nach Tokyo in ein Studentenwohnheim. Nach langer Zeit der Distanzierung trifft er die Freundin seines toten besten Freundes in Tokyo und entdeckt durch die gemeinsamen Spaziergänge durch die Stadt eine längst vergessene Freundschaft neu. 

Als die Geliebte seines verstorbenen Freundes zwanzig wird, feiern die beiden mit einem gemeinsamen Abendessen und etwas Alkohol und reden dabei stundenlang. Gegen Abend jedoch, als der Protagonist aufbrechen will, bricht seine Gesprächspartnerin mental zusammen. Unbeholfen versucht der junge Mann, sie zu trösten, was letztlich in einem Akt der körperlichen Zuneigung endet. Er erfährt, dass das Mädchen und sein bester Freund nie miteinander geschlafen haben und fragt nach dem Grund dafür. Doch anstatt zu antworten dreht sich die junge Studentin von ihm weg, sodass die beiden den Rest der Nacht mit ihren Rücken zueinander verbringen.

Am nächsten Morgen hinterlässt der Protagonist dem Mädchen eine Nachricht, bevor er ihre Wohnung verlässt. Einige Zeit später erhält er eine Antwort von ihr, in der sie ihm mitteilt, dass sie sich von ihrem Universitätsstudium beurlaubt, um etwas Zeit in einem Sanatorium in Kyoto zu verbringen; sie will sich von dem Verlust ihres Freundes erholen. Sie dankt ihm in dem Brief für seine Unterstützung und bittet ihn, ihr die erneute Distanzierung zu verzeihen. Zum Ende der Geschichte erhält der Protagonist ein Glühwürmchen in einem Glas von seinem Mitbewohner, um das er sich für ihn kümmern soll. Eines Nachts geht er auf das Dach des Wohnheims, um das Glühwürmchen dort nahe des Wassertanks freizulassen. Es dauert lange, ehe es sich aus dem Glas in die Freiheit bewegt. Als es endlich das Glas verlässt, streckt der Protagonist die Hand aus und versucht, es in der Dunkelheit zu berühren, doch seine Finger erreichen es bereits nicht mehr.

Moriizumi Takehitos Adaption von Hotaru wurde zusammen mit einer Adaption von Orwells Science-Fiction-Klassiker 1984 im Manga-Band Murakami Haruki no ‘Hotaru’ — Ooweru no ‘1984’ veröffentlicht. Der Band erschien am 24.12.2019 beim Verlag Kawade Shobo Shinsha und ist bis jetzt ausschließlich in japanischer Fassung erhältlich. Der Manga zu Hotaru bietet auf nur 21 Seiten eine Adaption der Geschichte, bei der alle für die Haupthandlung wichtigen Schlüsselszenen dargestellt werden, ausschmückende Details in geschriebener Form aber auf ein Minimum reduziert werden. Beispielsweise wird die Einleitung des Originals, in der man etwas über das Alltagsleben im Wohnheim des Protagonisten erfährt, gegen einen Start in medias res ausgetauscht; Inhalte der Einleitung, wie die Beschreibung des Wohnheims, werden dann in der Unterhaltung zwischen dem Protagonisten und der Freundin beim Spaziergang aufgegriffen. Was dem Leser, der das Original kennt, an Ausführungen in geschriebener Sprache vielleicht fehlt, wird durch Moriizumis atmosphärische Zeichnungen wett gemacht.

Abb. 1, Moriizumi S. 13/14

Moriizumi ist berühmt für eine ganz bestimmte Inking-Technik, die auch in diesem Manga für zarte Umrisse und schattenreiche Panels sorgt: Er zeichnet zunächst Linien aus Wasser vor und gibt dann die Tinte darauf. Die daraus entstehenden Zeichnungen wirken fast wie ein Linol- oder Holzdruck, es entsteht ein Eindruck von weiter und tiefer Räumlichkeit. Da die Linien auch optisch einen „wässrigen“, zarten und unbeständigen Eindruck erwecken, wirkt die Atmosphäre des Mangas teilweise überirdisch und unwirklich, wie zum Beispiel in der Szene, als die Hauptfigur mit der Freundin im Winter spazieren geht (vgl. Abb. 1).

Die abgerundeten Panel sind meistens geradlinig und minimalistisch angeordnet, der Fokus liegt dadurch eindeutig auf den packenden Zeichnungen und dem Text. Lautmalereien gibt es keine, die fragile Atmosphäre würde darunter wahrscheinlich leiden. Trotz ihrer Zartheit sind die meisten Zeichnungen konkret und recht realistisch. Besonders an einer Stelle abstrahiert Moriizumi das Dargestellte jedoch stark: in der Szene, in der man vom Tod des besten Freundes des Protagonisten erfährt. Alle bildlichen Informationen, die damit zusammenhängen, hat Moriizumi auf Seite 11 mit nur einem einzigen Strich abgebildet.

Abb. 2, Moriizumi S. 11

Am Anfang der Seite sieht man Freund und Freundin Arm in Arm gemeinsam laufend; von da an entwickelt sich der Strich wie eine eigene „Storyline“ für beide Charaktere unabhängig. „Sein Strich“ stellt ihn beim Billardspielen dar. Der Strich bildet ansatzweise Panels und stellt den Freund beim Nachhausegehen dar, bevor er eine kreisrunde Sprechblase für den Erzähltext bildet; dabei handelt es sich um das einzige Mal im ganzen Manga, dass der Erzähltext eingerahmt wird und um die einzige runde Sprechblase überhaupt. Dadurch wird betont, wie gravierend und folgenschwer der Inhalt ist: „Er ist in jener Nacht in einer Garage gestorben.“ (S. 11). Danach bildet der Strich das Auto, in dem der Freund Suizid beging; mit seinem Leben endet bildlich auch das eine Ende des Striches. Der Strich der Freundin hingegen zeigt sie allein beim Laufen, und schließlich fließt dieses Ende des Striches im letzten Panel der Seite in einen Mast, womit sich der Leser sowie die Figur der Freundin wieder in der Gegenwart befinden. Diese Szene ist von sehr großer Bedeutung für die Erzählung, da der Suizid des Freundes die Beziehung der Freundin und des Protagonisten maßgeblich beeinflusst. Der Mangel an Details in der Darstellung betont, dass es sich um eine Rückblende handelt, während der kreative Einsatz nur eines Striches genutzt wird, um das unterschiedliche Schicksal von Freund und Freundin zu untermalen. Am Anfang der Seite ist der Strich Ausdruck für ihr Zusammensein, doch am Ende hört sein Strich mit seinem Leben auf, während ihr Strich in die Gegenwart fließt. Letzteres wirkt auch wie ein sanftes Zurückholen des Lesers aus der Vergangenheit zu den aktuellen Geschehnissen.

Moriizumi adaptiert mit Murakami Harukis Kurzgeschichte Hotaru mit großer Geschicktheit einen Vorläufer des Klassikers Noruwei no mori und bietet mit dem Manga eine poetisch illustrierte Adaption des Ursprungswerks für Murakami-Fans. Der Manga versucht die Erzählweise Murakamis so präzise wie möglich zu illustrieren. Fans von Murakami finden somit ein Werk vor, dass als Alternative zum Ursprungswerks einen tollen Mehrwert bietet. Dabei schreckt der Mangaka auch nicht von Murakamis Wortwahl ab, obwohl diese in Japan bei Erscheinen des Werkes häufig aufgrund ihrer Direktheit und der Thematisierung von Suizid und Sex kritisiert wurde. Als wir den Manga übersetzt haben, fiel zudem auf, dass die Textstellen des Mangas und Dialoge der Charaktere exakt aus dem Ursprungswerk übernommen wurden. Interessant ist bei dieser Adaption des Werkes Hotaru auch, dass der Mangaka Details wie den Jahreszeitenwechsel oder die Wetterbedingungen präzise illustriert und so die räumliche Atmosphäre, die in der Geschichte erzeugt wird, in die Panels des Manga transferiert.

Die Intensität der Erzählung Hotaru ist ähnlich wie in anderen Werken Murakamis; es ist eine Geschichte, die keine erkennbare Konklusion besitzt, und so belässt es auch Moriizumi in seinem Manga. Dafür illustriert der Mangaka umso mehr die Symbolik der Geschichte, wie z.B. das Glühwürmchen, das als Namensgeber der Geschichte eine zentrale Rolle einnimmt. Der Protagonist erhält das Insekt von seinem Mitbewohner, damit er sich darum kümmert. Es steht als direkte Allegorie für das, was der Protagonist über das Mädchen denkt: Ein Wesen, das vor seiner Gefangennahme ungestört und frei war, nun aber eingesperrt vor sich hinlebt. Besonders die Schlüsselszene am Ende der Geschichte zeigt, dass es Moriizumi gelingt, jene Atmosphäre zu illustrieren, die Murakami in seinem Werk durch seine akzentreiche Beschreibung erschafft. So fühlt man sich selbst sehr befangen, wenn man mit ansieht, wie der Protagonist vergebens nach dem freigelassenen Glühwürmchen greift und realisiert, dass es sich – ähnlich wie die Geliebte seines toten Freundes – bereits außer seiner Reichweite befindet und ihn allein zurücklässt.

Verena Nobel und Maurice Werner

8 Gedanken zu „Die Liebe, flüchtig wie ein Glühwürmchen

  1. Ich kann mich diesem Blogeintrag in Bezug auf die Darstellung des Suizids des Freundes des Protagonisten nur anschließen. Interessant finde ich hier noch, dass es keine geschlossenen Panelrahmen gibt. Obwohl es Ansätze von Panelrahmen gibt, werden alle Rahmen auf irgendeine Weise aufgebrochen und alle Panels gehen ineinander über. Zum einen, wie bereits im Blogartikel erwähnt, stellt dies dar, dass dieses Ereignis etwas ist, dass die Figuren bis in die Gegenwart prägt, sich durch ihr Leben zieht und ständig präsent ist, es stellt aber auch dar, wie schwer es dem Protagonisten fällt den Suizid seines Freundes zu verstehen, wie plötzlich der Suizid für den Protagonisten kam und wie stark es ihn emotional aufgewühlt haben muss.
    Ich finde, dass vor allem dieses Aufbrechen der Seitenstruktur, das sich an bestimmten Stellen des Mangas finden lässt, sehr stark dazu beiträgt bestimmte Stellen der Geschichte noch einmal zu betonen und den emotionalen Aspekt dieser Szenen hervorzuheben, wie zum Beispiel auch die Ereignisse des 20. Geburtstag der Freundin.
    Ich finde den Blogartikel wirklich gut gelungen. Er gibt nicht nur den Inhalt der Kurzgeschichte sehr anschaulich wieder, sondern geht auch auf sehr interessante Aspekte und Szenen des Mangas ein!

  2. Ein, -wie ich finde-, sehr gelungener Blogartikel zu diesem herzzerreißendem Werk, das nur so vor Murakamis Leitthemen strotzt. Sehr prägnant wird hier das im Werk bedeutungsschwere Thema des Suizids des besten Freundes des Protagonisten aufgegriffen und anhand eines sehr eindrucksvollen Panels aufgegriffen. Gerade die minimalistisch gestaltete und symbolisch stark aufgewogene Manga-Adaption hat es, genau wie in diesem Artikel beschrieben, geschafft, die Atmosphäre des Werkes zu erfassen und künstlerisch durch große Panels visuell begreifbar werden zu lassen. Gefühle, die im Geschriebenen schon nachvollziehbar waren, wurden hier durch die sehr wortkargen, eher artwork- beladenen Panels, sehr akzentstark und meines Erachtens noch einschlagender. Sehr schöner Artikel und wundervolle Manga-Adaption!

  3. Ich kann Frau Betz nur zustimmen. Ich finde es wirklich gut, wie Frau Nobel und Herr Werner den Text zusammengefasst bzw. einzelne Aspekte herausgegriffen haben. Hierbei finde ich, nimmt der Zeichenstil eine ganz zentrale Rolle ein, wie die Beiden auch schon angemerkt habe. Murakami erschafft eine Art Synästhesie beim Leser, wobei er an gewissen Stellen gar die Atmosphäre nachempfinden kann. Ein Beispiel wäre dafür die Seiten 276 und Folgende, wo sehr bildlich der Jahreszeitenwechsel aber auch die Jahreszeiten an sich beschrieben werden: „Roch ich die neue Jahreszeit“(S.276), „spürte ich, wie sie atmete“(S.277), „(…)Schritte kaum ein Geräusch, abgesehen von dem trocknen Knacken“(s.277). Genau diese kleinen Details erweckt Moriizumi im Manga dann zum Leben und eine herbstliche bis winterliche Szenerie wird erschaffen, in dem der Leser sich selber wiederfinden kann. Das diese Szenarien aufgrund ihrer Jahreszeit wunderschön aber zugleich kühl und trostlos wirken, lässt sich auch auf die beiden Figuren und ihre Gefühlswelt übertragen. Der Wechsel von Neu zu Alt, in einem konstanten Kreislauf wird durch die stetige Anspielung der wechselnden Jahreszeiten von Murakami dargestellt. Moriizumi jedoch belässt es auch hier eher minimalistisch und bleibt bei einer bzw. zwei (Herbst-Winter) Jahreszeiten, erzielt jedoch eine ähnliche Stimmung beim Leser. Ich persönlich bin auch der Meinung, dass Lautmalereien bei diesen wunderschönen zarten und zugleich ausdrucksstarken Bildern, fehl am Platz gewesen wären.

  4. Ich möchte den AutorInnen ebenfalls zu ihrem, wie ich finde, sehr gelungenen Blogartikel gratulieren. Mir haben die Erläuterungen zu Moriizumis Adaption in Bezug auf Seite 11 besonders gut gefallen, da hier sehr genau hingesehen wurde, um die Besonderheiten dieser Stelle herauszuarbeiten und die künstlerischen Mittel plausibel zu interpretieren.
    Beim Lesen des Mangas ist mir immer wieder aufgefallen, dass Moriizumi an mehreren entscheidenden Stellen Panel- und Hintergrundebenen mit einander verschmelzen lässt, beziehungsweise mit formalen Konventionen des Comics bricht, um besondere zeitliche Effekte zu erzeugen und erzählerische wie inhaltliche Ebenen und Perspektiven miteinander zu verbinden. Besonders anschaulich wird dies auf den letzten Seiten des Comics, auf welchen die Befreiung des Glühwürmchens erzählt wird. Hier wird zunächst die komplette Fläche einer Doppelseite (randlos) verwendet, um den Ort – das Dach des Studentenwohnheims – in einer Supertotalen zu etablieren, was den Effekt hat, dass man sich – gegeben die Prämisse, den normalerweise weißen Hintergrunds zwischen den Panels als Rezipientenebene zu deuten – als LeserIn umso stärker in die Szene involviert fühlt. Schließt man sich diesem Argument an, so wird die letzte Seite des Mangas umso interessanter, da Moriizumi es hier auf formaler Ebene schafft, mit Hilfe einer einzigen komplett schwarzen Seite den rezipierenden Blick mit dem seines in die unendliche Dunkelheit der Nacht schauenden Protagonisten zu verschmelzen und dadurch den Bedeutungshorizont des Figurenerlebens auf den der LeserInnen zu erweitern.

  5. Auch ich kann meinen Kommilitonen nur dabei zustimmen, dass der Blogartikel von Frau Nobel und Herrn Werner sehr gelungen ist. Insbesondere gefällt mir die intensive Auseinandersetzung mit Moriizumis Zeichenstil, da dieser eindeutig der wichtigste Punkt in dieser Adaption ist. In vielen anderen Manga können Zeichenstile leicht einander ähneln, was einem vielleicht nicht besonders auffällt, wenn man nicht gerade selbst ein Künstler ist, der sich gerne mit den Kunststilen anderer auseinandersetzt, oder allein deshalb, weil der Mangaka nicht bloß durch einen außergewöhnlichen Zeichenstil und Charakterdesigns überzeugen kann, sondern auch durch seine Geschichte viel zu bieten hat.
    Da Moriizumi jedoch versucht hat die Erzählweise so genau wie möglich von Murakami zu übernehmen und ganze Textstellen und Dialoge aus dem Original übernommen hat, konnte und musste er sich mehr auf eine spezielle zeichnerische Umsetzung konzentrieren, um „Hotaru“ nicht bloß zu kopieren, sondern zu seinem eigenen Werk zu machen. Dabei war er eindeutig erfolgreich und ermöglicht so den Lesern Murakamis Werk auf eine neue Art zu erleben. Der minimalistische Zeichenstil passt perfekt zu der Literatur. Sanfte, geschwungene Pinselstriche und die verlaufene Tinte verleihen der Adaption eine Leichtigkeit, während andere dunkle Panels die tiefere Finsternis im Inneren der Charaktere zeigt. Als besonders mutig empfand ich dabei die Illustration auf den Seiten 18 und 19: eine abstrahierte Hand, welche sich über die beiden Seiten erstreckt. Obwohl Moriizumi eine nur so kurze Adaption geschaffen hat, nahm er sich die Freiheit für solche Darstellungen, wie auch die letzte komplett schwarze Seite, um aus seinem Manga ein wahres Kunstwerk zu machen.
    Obwohl es in diesem Blogartikel nur um die Adaption von „Hotaru“ geht, möchte ich an dieser Stelle auch kurz auf die Adaption von „Samsa in Love“ aus „Haruki Murakami – 9 Stories“ eingehen, denn diese steht völlig im Kontrast zu Moriizumis Manga und passt dennoch ebenso zu ihrem entsprechenden Original. Hier bestimmen starke Kontraste (Hell- Dunkel-Kontrast, Qualitäts-Kontrast, Komplementär-Kontrast, Kalt-Warm-Kontrast), überzogene Mimik, Close-ups und ungerade Linien die Illustrationen. Im Gegensatz zu dem leicht und dennoch tiefgründig wirkenden Minimalismus Moriizumis wird der Leser dieser Adaption mit Kontrasten und harten Linien überwältigt und wird so in die gleiche Lage geführte, wie Samsa selbst.
    Beide Adaptionen schaffen es die Erzählweise Murakamis durch ihre jeweiligen Zeichenstile widerzuspiegeln, wodurch die Leser im ersten Beispiel in ein Kunstwerk mit tiefgründigerer Geschichte ein, welche größtenteils verschleiert bleibt und so mysteriös und schön wirkt, wie Moriizumis Kunst, während sie im zweiten Beispiel in eine bizarre Welt befördert werden, die sie genau so verwirrt wie Samsa selbst.

  6. Wie meine Kommilitonen bereits festgestellt haben, finde auch ich diesen Blogartikel sehr gelungen, da es den Autoren gelungen ist, die Stilmittel hinsichtlich ihrer Wirkung zu analysieren und sehr anschauliche Beispiele zu geben.
    Mir fiel auch beim Lesen des Mangas insbesondere auf, wie Naokos Innenleben in den Zeichnungen verdeutlicht wird, in der Szene, in der sie weinend zusammenbricht. Zunächst sieht man sie ganz normal, dann fehlt ihr Gesichtsausdruck, dann ist sie nur noch eine weiße Silhouette auf schwarzen Grund, mit kleinen, weißen Punkten, die ihre Tränen sein könnten.
    Moriizumi schafft es, ohne große Action in seinen Zeichnungen genau die Atmosphäre wiedezugeben, die Murakami mit seinen Worten gemalt hat. Im Blogartikel ist die Rede von „fragil“, ich denke das ist eine sehr passende Beschreibung.

  7. Ich möchte mich meinen Kommilitonen anschließen, und erstmal den Autoren ein Lob aussprechen für die sehr gelungene Analyse des Werkes und einen gut geschiebenen, leicht verständlichen und lesbaren Blogartikel.

    Einen Punkt den ich gerne noch aufbringen möchte, ist der Kontrast wie die Umgebungsatmosphäre erzeugt wird. Meiner Meinung nach gehen Original und Adaption hier unterschiedliche Wege, um dem Leser die Gefühlswelt des Protagonisten nahezubringen bzw. diese nachempfinden zu können. Murakami nutzt eine sehr bildreiche, detaillierte Sprache, durch die er all die kleinen, „belanglosen“ Details beschreibt, die am Ende nicht viel Plot Relevanz haben, aber durch ihre Existenz dieses Gefühl von „sich verloren fühlen/keine Absichten bzw. Pläne haben“ etc. besonders hervor heben. Fast so, als würde man sich auf die kleinen Details fokussieren, weil man kein Ziel im Leben hat, dass man verfolgt. Alles erscheint belanglos dahinzufließen, sowohl die Morgengymnastik des Mitbewohners als auch der Verlust der (aufkeimenden?) Beziehung zu dem Mädchen.

    Die Manga Adaption hingegen fokussiert sich besonders auf die Beziehung zwischen dem Protagonisten und dem Mädchen. Viel an kleinen Details fallen hier also raus, genauso wie viele der Szenen in denen der Protagonist alleine ist oder die mit seinem Zimmernachbarn zu tun haben. Jedoch schafft der Manga es, durch seine schlichte Aufmachung und die gewählte Erzähltechnik (keine/kaum Sprechblasen) eine sehr ähnliche Atmosphäre zu erschaffen. Besonders interessant sind hier die Zeichnungen, die aus einem Strich bestehen und die extrem hübschen und detailliert gezeichneten Hintergründe. Diese bildlichen Elemente tragen ebenfalls zum atmosphärischen Aufbau bei.

  8. Ein gelungener Blogartikel zu einem wunderschönen Manga. Mit dem ungewöhnlichen Zeichenstil gelingt es Moriizumi sehr gut die Erzählstruktur Murakamis in Bilder zu „übersetzen“ und das Innenleben des Protagonisten nach außen zu tragen. Besonders die letzte Seite finde ich in dieser Hinsicht sehr gelungen. Der schwarze Hintergrund auf dem lediglich das Glühwürmchen zu erkennen ist. Ähnlich wie der Protagonist fokussiert sich der Leser nur darauf und blendet alles Überflüssige aus, als würde man selbst gerne nach dem Glühwürmchen greifen wollen.
    Verständlich finde ich, dass der Manga den Fokus stärker auf die Beziehung legt und alles drumherum weglässt, da es sich um den Kern der Geschichte handelt. Die Situationen, die der Protagonist mit seinem Mitbewohner erlebt oder die Bedeutung der Flagge, die er hinterfragt, werden nicht in den Manga aufgenommen. Dadurch fehlen die komischen Momente, die ich in der Kurzgeschichte als sehr witzig wahrgenommen habe und die Geschichte dadurch authentischer wirkte. Der Manga wiederum bekommt einen düsteren und ernsteren Anstrich.

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