Pokémon GO und Fan Productivity – Wie die Community nach ihren eigenen Regeln spielt

Von Christian Kandlin, Ole Marschik, Ayse Sagbas, Yehia Soufan, Jonah Struwe und Nina Witzke

Pokémon GO ist ein faszinierendes Spiel, aber die vorgesehen Funktionen reichen vielen erfahrenen Spielern nicht mehr aus. Zudem sind viele unzufrieden mit der Art und Weise, wie Niantic aus dem Spiel ökonomisches Kapital schöpft. Um die auferlegten Grenzen des Entwicklers Niantic zu umgehen, ist Kreativität gefragt – und diese ist in der Community nach unseren Beobachtungen reichlich vorhanden.
Das Hauptziel hierbei ist es, Niantic zu „überlisten“ und sich so maximale Vorteile im Spiel zu verschaffen. Die diversen Praktiken dazu, die im Fandom zu finden sind, werden wir hier genauer vorstellen.

Der Begriff „fan productivity“, der bei John Fiske auftaucht, muss dafür unseres Erachtens erweitert werden. Fiske spricht von einer „textual productivity“ der Fans, die im Analogzeitalter zum Beispiel das Schreiben von Fanfiction oder das Zeichnen von Fan-Art umfasste. „Fan productivity“ beschreibt im Kontext von Pokémon GO aber auch, auf welche verschiedenen Möglichkeiten die Fans zurückgreifen, um das Spiel nach ihren eigenen Regeln zu spielen. Diese „productivity“ kann somit zum Beispiel auch das Betreiben mehr oder weniger illegaler Tools umfassen. Aber auch das Herstellen von Netzwerken um das Spiel herum ist ein ganz entscheidender Aspekt der Produktivität von Pokémon-Spieler/innen.

Community außerhalb von Pokémon GO

Pokémon GO Fans vernetzen sich insbesondere über soziale Medien, da die Firma Niantic in ihrer App dafür keine Wege zur Verfügung stellt. Es fehlt die Option, Freundschaftsanfragen zu senden oder Gilden zu gründen, so wie es in vielen anderen Online-Spielen möglich ist.

Top-Spieler Brandon Tan auf Instagram

Rasch nach Erscheinen von Pokémon GO fanden sich Freunde in Gruppenchats auf WhatsApp zusammen und regionale Gruppen, wie Pokémon GO Düsseldorf, wurden auf Facebook erstellt, um Spieler zusammenzubringen und Informationen auszutauschen. Neben Facebook ist insbesondere Twitter ein Ort, an dem viele sich über die neusten Pokémon-GO-Updates informieren. Abgesehen von dem offiziellen Pokémon-GO-Twitter gibt es auch Fan-Accounts (z.B. Pokémon GO News), welche die offiziellen Informationen verbreiten und ihren eigenen Discord-Server zur Verfügung stellen, auf dem Fans sich austauschen können. Pokémon-GO-Hub retweetet nicht nur offizielle Posts, sondern teilt auch anderweitig interessante Informationen zu Niantic und dem Spiel, sowie eigens recherchierte Artikel, die sie auf ihrer Website veröffentlichen. Auch auf YouTube sind Fans produktiv geworden; von Kanälen, die über Neuigkeiten berichten oder interessante Tricks ausprobieren bis hin zu Vloggern, die ihre Erlebnisse beim Fangen von Pokémon teilen oder ihren Abonnenten zeigen, was auf einem Event so vor sich geht – alles ist vertreten.
Pokémon GO ist nicht nur ein Spiel, es ist ein Phänomen, das zahlreichen Fans erlaubt hat, sich in ihrer eigenen Nische eine Website oder eine Community aufzubauen, welche nicht nur für sie selbst, sondern auch für andere Fans von Interesse ist.

Mikrotransaktionen und Münzsystem

Eine weitere Ausprägung von Fan-Productivity lässt sich bei dem InGame-Kaufsystem von Pokémon GO feststellen. Niantic bietet im Online-Shop des Spiels eine für Echtgeld erwerbbare Währung, sogenannte Pokémünzen, an, mit denen wiederum spezielle virtuelle Gegenstände (Items) gekauft werden können, die sonst entweder erspielt werden müssen oder sogar exklusiv nur im Shop zu finden sind. Auch bietet Niantic zu spezielleren Angelegenheiten Pakete an, die mehrere unterschiedliche Items enthalten. Die Preise variieren hier zwischen 400 bis zu über 1000 Pokémünzen pro Paket, wobei 100 Münzen in etwa mit 1€ gleichzusetzen wären (mehr zum Shop und Niantics Geschäftsmodell gibt es hier).

Neben der Möglichkeit, die Münzen über sogenannte Mikrotransaktionen zu erwerben (also echtes Geld auszugeben), können die Spieler/innen sich je 50 Münzen am Tag durch das Einnehmen und Besetzen von Arenen verdienen. Das Problem: Das Pokémon muss dafür einige Stunden in der Arena verbringen, da der Wert von der Dauer der Besetzung abhängt. Außerdem betrifft die Grenze von 50 Münzen pro Tag den gesamten Account, was bedeutet, dass die Anzahl der eingenommenen Arenen unbedeutend ist – es kann insgesamt nur maximal 50 Münzen geben. Und selbst dann sind die Münzen nicht garantiert, da das Pokémon erst einmal aus der Arena vertrieben werden und zurückkommen muss, damit dem Spieler oder der Spielerin die Münzen gutgeschrieben werden können. Bei viel Pech kann es also passieren, dass an einem Tag gar keine Pokémon aus Arenen zurückkehren und man somit auch keine Münzen bekommt.

Und genau hier spielt die Community eine Rolle: Um das System zu umgehen, sprechen sich Spieler/innen ab, die sich entweder persönlich bereits kannten oder über soziale Medien aus genau dem Grund kennen gelernt haben, um sich gegenseitig aus den Arenen zu vertreiben, damit die Pokémon zur passenden Zeit zurückkehren und die Maximalanzahl an Münzen eingenommen werden kann. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, selbst einen zweiten Account zu erstellen, eine andere Team-Farbe auszuwählen und die Pokémon seines anderen Accounts zu besiegen. Vorteile sind hierbei die Unabhängigkeit von anderen Spielern oder die Möglichkeit, mit beiden Accounts gleichzeitig an Arenakämpfen oder Raids teilzunehmen. Sinnvoll ist das jedoch zumeist nur, wenn man ein zweites Pokémon GO-fähiges Gerät besitzt. So oder so lässt sich aber sagen, dass diese „fan productivity“ eher bei erfahreneren Spielern zu beobachten ist, die großen Wert auf Produktivität und Effizienz legen und die Möglichkeit des kostenlosen „Shoppens“ von Items optimal ausnutzen wollen.

Der Einfluss von Ingress & OpenStreetMap auf Pokémon GO

Pokéstops und Arenen sind zentral für den Spielerfolg und -Spaß in Pokémon GO. Was kann man unternehmen, wenn es zu wenig solcher Punkte in der eigenen Umgebung gibt und Niantic nichts unternimmt, um diese Situation zu ändern? Richtig, selbst Hand anlegen.

Eine Arena in Ingress und in Pokémon Go

Nachdem die Community erfahren hat, dass die Kartendaten, auf die Pokémon GO zurückgreift, aus Ingress (dem ersten Spiel von Niantic) entnommen wurden, haben sich etliche Spieler/innen einen Ingress-Account erstellt. Ingress kurz erklärt: Es gibt Portale, die wie Arenen funktionieren und zwei Teams, die versuchen diese Portale zu erobern oder zu verteidigen. Ziel ist es, Portale auf der ganzen Welt in seiner eigenen Teamfarbe umzufärben. Ab Level 11 können die Ingress-Spieler für bestimmte Sehenswürdigkeiten oder besondere Objekte Portale erstellen. Jetzt ratet mal, was diese Portale mit Pokémon GO zu tun haben: Nachdem die Portale von Niantic angenommen worden sind, können sie in Pokémon GO eventuell als Pokéstops oder sogar als Arenen aktiviert werden. Wer also in Zukunft einen Stop oder eine Arena bei sich in der Nähe haben möchte, sollte seinen Ingress-Account hochleveln. Wer weiß, vielleicht wird ja irgendwann mal die Wandmalerei vor dem eigenen Haus zu einem Stop.

Wer aber nicht wirklich Lust auf ein anderes AR-Spiel hat und mit den Pokéstops in seiner Nähe zufrieden ist, der kann mit ein paar einfachen Klicks für andere Veränderungen im Spiel sorgen. Ende November hat Niantic angefangen, die Kartendaten von OpenStreetMap (OSM) in das Spiel zu importieren. Im Gegensatz zu GoogleMaps ist OSM eine Open-Source-Map, in der jede Person dazu berechtigt ist, Änderungen an der Karte durchzuführen, weswegen man sie auch „das Wikipedia der Karten“ nennt.

So entsteht ein Park: Erfolgreiche Bearbeitung von OSM

Die OSM ist viel detaillierter als die Google-Karte und somit praktischer für Pokémon GO. So kann das Programm nämlich direkt erkennen, wo sich nicht nur Meere, Flüsse und Wälder befinden, sondern auch Brunnen, Parks und Wiesen. Da je nach Topographie eines Ortes unterschiedliche Pokémon-Typen erscheinen, ist das für die Pokémon-Go-Spieler sehr interessant. Wird ein Ort, der vorher keine Besonderheit aufwies, in OSM zu einem Park oder einem Wald, können dort besondere Pokémon erscheinen oder sogar neue „Pokémon-Nester“ entstehen, an denen ein bestimmtes Pokémon gehäuft auftritt. Dies nutzt die GO-Community natürlich aus und „hilft“ seitdem, die Map zu verbessern. Jede kleine Wiese wird als Park, jede kleine Wasserstelle als Brunnen angegeben. Die anderen Open-Street-Mapper sind aber eher genervt von dieser Situation; es gibt zu viele Manipulationen auf der Karte. Was die Pokémon-Fans als Produktivität wahrnehmen, wird damit von anderen Nutzern eher als destruktives Verhalten gesehen. Vor kurzem hat zum Beispiel ein Go-Spieler seine halbe Stadt zu einer Unterwasserwelt umgewandelt (OSM hat dies übrigens erst einmal akzeptiert und Niantic hat es einfach übernommen). Die Map wird tatsächlich von vielen Menschen und Programmen als Hilfsmittel benutzt, weswegen die Manipulationen in ihren Auswirkungen weit über das Spiel hinausgehen.

Mewtu für alle

Da das Sammeln aller Pokémon für viele Spieler sicherlich einer der Hauptreize an Pokémon GO ist, ist es nicht verwunderlich, dass die Spieler nun seit einiger Zeit versuchen, ihre Chancen auf das legendäre Pokémon Mewtu zu erhöhen, das nur an speziellen Ex-Raid-Arenen erscheint. Aktuell ist die Zahl der Ex-Raid-Arenen noch sehr gering, weshalb bisher nur wenige Spieler die Chance hatten, ein Mewtu zu fangen. Fans haben aber Möglichkeiten gefunden, Pokémon-Arenen so zu bespielen, dass ein Ex-Raid ausgelöst wird – „triggern“ wird diese Aktivität genannt. Um zu verstehen, wie eine Ex-Raid-Arena getriggert werden kann, gilt es zuerst zu verstehen, welche Kriterien erfüllt sein müssen, damit eine Arena tatsächlich getriggert werden kann.

Bericht über einen erfolgreichen Trigger-Versuch auf Pokémon GO Hub

Fans sammeln die verschiedensten Anhaltspunkte und tauschen sich weltweit darüber aus, um hinter das System der Ex-Raid-Arenen und der Vergabe von Pässen für die Ex-Raids zu kommen. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Artikels verhielt es sich so: Die Karte im Spiel ist in so genannte S2-Zellen unterteilt, welche im Spiel selbst nicht sichtbar sind, aber mit Hilfe von bestimmten Websites und Programmen ermittelt werden können. Pro S2-Zelle kann wöchentlich nur ein Ex-Raid stattfinden. Des Weiteren muss eine Arena in einem Park liegen oder gesponsert sein, damit an der betroffenen Arena Ex-Raids stattfinden können. Große Firmen wie StarBucks in Amerika oder McDonald’s in Japan kooperieren mit Niantic und bieten solche gesponserten Arenen an, um Spieler/innen als Kunden anzulocken. Sind diese Kriterien erfüllt, so muss an der Arena noch regelmäßig und viel geraided werden, um diese zu triggern.

Spieler/innen versuchen nun verstärkt, nach Absprache an diesen Arenen Raids in großen Gruppen zu machen, um systematisch Arenen für die Ex-Raids zu aktivieren. So soll es möglichst allen Spieler/innen, unabhängig von Aktivität und Erfahrung, ermöglicht werden, an einem Ex-Raid teilzunehmen. Bisher ist allerdings noch vieles unklar, wie z.B. ob das Level eines Raids oder die Gruppengröße bei einem Raid die Wahrscheinlichkeit auf ein erfolgreiches Triggern beeinflussen.

Detektivische Arbeit: Data-Mining

Bericht über Data Mining

Reichen einem die vom Spiel gebotenen Tipps und Infos nicht, bietet es sich Spielern auch an, sich auf Seiten wie The Silph Road oder PokémonGoHub umzusehen. Die Betreiber dieser Seiten machen von einer weiteren Art der Fan-Produktivität Gebrauch, dem sogenannten „Data-Mining“. Im Grunde genommen bedeutet das, dass man die Database eines Spiels, in diesem Falle natürlich Pokémon GO, untersucht, um neue und vielleicht sogar „geheime“ Informationen daraus zu ziehen. Dies kann oberflächliche Dinge beinhalten, wie etwa Leaks neuer Spielfunktionen oder Pokémon, aber dort hört Data-Mining noch nicht auf. Erst neulich untersuchte The Silph Road etwa die Wahrscheinlichkeit, mit der man ein Shiny Pikachu antreffen kann, oder warum einige Pokémon sich im Kampf aggressiver verhalten als andere.

Vor allem für schon sehr erfahrene Spieler, die alles erreicht haben, was Niantic ihnen als Ziele gesetzt hatte, bietet sich durch die Hilfe von Data-Minern eine weitere Aufgabe: Das perfekte Pokémon zu besitzen. Möglich ist dies über sogenannte IV-Rater, die die drei versteckten Werte, die jedes Pokémon besitzt (Angriff, Verteidigung und Ausdauer) analysieren, die sonst nur vage vom jeweiligen Team-Leiter im Spiel beschrieben werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass Niantic sicherlich keine Apps unterstützt, die direkt in die Funktionen der eigentlichen Pokémon GO-App eingreifen und man durch die Benutzung solcher externen Apps im schlimmsten Falle einen Bann riskieren kann.
Daher bietet zum Beispiel der IV-Rater von The Silph Road eine sichere wenn auch weniger genaue Alternative. Gibt man in diesen die Werte eines seiner Pokémon ein, bekommt man schon ein sehr klares Bild davon, was es drauf hat. Laut The Silph Road kann man die exakten Werte nur erhalten, wenn man Methoden benutzt, die gegen die Nutzerbedingungen verstoßen und sie bezeichnen das, was sie tun als „purely whitehat“. Soll heißen, sie nutzen ihre Fähigkeiten nur für „legales“ Datensammeln und Verbreiten und nicht, um sich durch Hacking Vorteile zu verschaffen, die von weiten Teilen der Community als unfair angesehen werden.

Letztlich bleibt zu sagen, dass es jedem Spieler selbst überlassen ist, ob er von den News und Tipps auf einer solchen Website Gebrauch macht. Data-Mining kann das Spielerlebnis einerseits wesentlich erweitern, indem man Informationen erhält, die einem sonst vielleicht verborgen geblieben wären; doch einigen nimmt es auch den Spaß am Erkunden und selbst Erproben, wie die jeweiligen Spielmechaniken funktionieren.

Umstrittene Tools: Maps, Bots & Spoofing

Beispiel für eine Map bei einem Event

Die wohl beliebteste Methode, sich im Spiel einen Vorteil zu verschaffen, sind Maps – Karten, die von nicht autorisierten Personen selbst erstellt werden. Für eine Map wird eine bestimmte Region oder Stadt mit Hilfe von Bots großflächig nach Pokémon abgescannt . Die gescannten Pokémon werden dann auf der Karte mit genauen Koordinaten angezeigt, sowie mit der Information, wie lange diese noch brauchen bis sie verschwinden; häufig gibt es zusätzlich Angaben zu den Wettkampfpunkten (WP) und den IV-Werten der Pokémon. Die Beliebtheit der Maps dürfte daher kommen, dass der im Spiel enthaltene Radar keine Funktionen bietet, mit denen man diesen individuell einstellen könnte; zudem hat der Radar keine große Reichweite.

Ein weiterer Vorteil der Maps ist, dass man „inoffizielle Events“ als Community veranstalten kann, bei denen man gezielt starke oder seltene Pokémon jagt.
Diese Events werden von der Community als „Purge Night“ bezeichnet.
Kurz gefasst also: Ein Betreiber kauft sich eine große Menge an Bots und lässt diese durch ein festgelegtes Gebiet laufen; die Teilnehmer/innen bekommen die Koordinaten der seltenen Monster auf ihre Handys geschickt und können sich so direkt zum Zielort begeben. Maps werden unseren Beobachtungen nach viel und gerne genutzt, die Betreiber/innen sehen sich aber auch immer wieder Kritik ausgesetzt. Die meisten verlangen von den Nutzer/innen einen kleinen Geldbeitrag, wenn sie Zugriff auf die Map oder Nachrichten zur „Purge Night“ erhalten wollen. Schnell entwickeln sich in diesem Kontext Diskussionen darüber, ob ein Gewinnstreben hinter dem Angebot steht. Das Ansammeln von ökonomischem Kapital durch Mitglieder der Community ist, wie wir allgemein festgestellt haben, in Fandoms eine Grenze, die kaum überschritten werden kann, ohne dass sich Widerstand regt.

Bei den Maps werden Bots zum Vorteil einer größeren Gruppe von Spielern eingesetzt; oft werden Bots aber auch von einzelnen Spielern genutzt, die damit „spoofen“. Beim Spoofen wird von einer Person der Account an ein Programm angebunden, mit welchem man sich grenzenlose Vorteile für sich selbst verschaffen kann. Automatisiertes Farmen von Items, Pokémon fangen, Eier brüten, Arenen bekämpfen – alles was im Spiel von Hand und vor allem vor Ort geregelt werden muss, lässt sich in den Spoofing-Programmen vom heimischen Rechner aus einstellen. Das Ganze kann sogar so weit ausgebaut werden, dass man in der Lage ist, seinen Avatar über die gesamte Welt springen zu lassen, um zum Beispiel ein regionales Pokémon zu fangen – und das alles, ohne einen Schritt aus dem Haus zu machen.

Warum darauf zurückgegriffen wird? Niantic hat noch viele Baustellen zu bewältigen, da es zum einen Orte mit sehr wenigen Pokéstops gibt, wo es an Items mangelt, sowie Orte, an denen kaum Pokémon erscheinen. Für viele ist auch eine weite Reise in andere Länder nicht möglich, um sich die begehrten regional exklusiven Pokémon zu holen. Spoofing ist dennoch innerhalb des Fandoms weitgehend verpönt, und in der Community zeigt sich immer wieder Unmut gegenüber Accounts, die sich des Spoofings verdächtig gemacht haben.

Ein Ausblick

Pokémon-Go-Spieler/innen haben, wie wir gezeigt haben, sehr viele Praktiken hervorgebracht, die den ursprünglichen Absichten des Entwicklers Niantic entgegenlaufen. Doch auch die Firma kann auf den Fan-Seiten mitlesen und erfährt sehr schnell, wenn die Spieler/innen mal wieder hinter ihr System gekommen sind. Diese Woche zum Beispiel hat Niantic darauf reagiert, indem sie das System hinter den Ex-Raids verändert haben, so dass die Bemühungen der Fans um das Triggern von Arenen möglicherweise umsonst waren (und unsere Angaben oben wohl auch nicht mehr ganz stimmen). Zudem muss man bedenken, dass auch das Triggern von Arenen Raid-Pässe erfordert – und viele Spieler/innen nicht wenig Geld investieren, um Niantic zu „überlisten“. Die Frage ist daher, ob die Produktivität der Fans nicht manchmal auch den Interessen des Entwicklers in die Hände spielt.

Insgesamt zeigt sich, dass das Verhältnis zwischen den Fans und dem Entwickler komplex und ambivalent ist. Es wäre vielversprechend, unsere Beobachtungen durch detaillierte Interviews mit aktiven Spieler/innen zu erweitern, um mehr über die Bewertung der Fan-Productivity innerhalb des Fandoms und über die Gedanken der Fans zur Machtposition von Niantic zu erfahren.

Fiske, John (1992): „The cultural economy of fandom“. In: L. Lewis (Hg.): The Adoring Audience: Fan Culture and Popular Media. London: Routledge, S. 30–38.

Ein Gedanke zu „Pokémon GO und Fan Productivity – Wie die Community nach ihren eigenen Regeln spielt

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