Pokémon und soziale Immersion oder die Evolution des Linkkabels

eigenes Bild
Spiele, Kabel und Konsolen (eigenes Bild)

Im Seminar haben wir vor einigen Wochen das Thema Immersion Anhand eines Textes von Jan-Noël Thon besprochen. Neben räumlicher, ludischer und narrativer Immersion beschreibt er auch soziale Immersion, also das  Eintauchen in das Spielerlebnis durch die Interaktion mit anderen Spielern. Ein Beispiel der sozialen Immersion ist die Pokémon-Spielereihe von Nintendo. 

Thon konzentriert sich in seinem Text zwar auf Spiele mit Online-Multiplayer Modus, in diesem Artikel gehe ich aber von einem weiteren Kontext aus und schließe auch direkten Kontakt, z.B. persönlich Treffen, LAN-Partys oder ähnliches mit ein.

Viele werden einige oder auch alle der Pokémon-Spiele schon kennen, oder zumindest davon gehört haben, ich möchte trotzdem noch einen kurzen Überblick verschaffen. (Wer Interesse hat findet auf dem Blog auch eine kurze Review der neuesten Editionen Omega Rubin und Alpha Saphir.)

Das erste Spiel erschien Ende der 90er Jahre für den Nintendo Gameboy, das bisher aktuellste pünktlich zum Weihnachtsgeschäft im November 2014. Trotz kleineren Änderungen und neuer Pokémon, hat sich am grundlegenden Spielkonzept nichts verändert. Die Story lässt sich zwar auch alleine ohne Probleme bewältigen, aber durch das Tauschen mit und Kämpfen gegen andere Spieler wird es erst richtig interessant.

Das Grundprinzips des Spiels ist einfach, man sammelt und trainiert Pokémon, um Gegner zu besiegen und in der Geschichte weiter zu kommen. Außerdem versucht man den Pokédex, ein Verzeichnis aller Pokémon, zu vervollständigen. Ersteres gelingt auch ohne Hilfe, will man aber bestimmte Pokémon in seinem Team und dem Pokédex, so ist man auf jemanden mit einer anderen Edition angewiesen, da nicht jedes Pokémon auf jeder Edition erhältlich ist. Auch als Gegner sind andere Spieler interessant, da ab einem gewissen Punkt die spielinternen Gegner keine Herausforderung mehr darstellen.

Dieser soziale Faktor ist meiner Meinung nach ein wichtiger Grund für den Erfolg der Reihe. Zwar spielen andere Faktoren, wie die medienübergreifende Vermarktung eine große Rolle (neben den Konsolenspielen, den Sammelkarten und der Fernsehserie gibt es noch Filme, Bücher, Stofftiere, Figuren und jede Menge anderes Merchandise), doch vor allem nach beenden der Hauptstory hält das (Aus-)Tauschen und Kämpfen mit anderen Spielern die Freude am Spiel bis zur nächsten Edition aufrecht, denn wer eines der Spiele besitzt, holt sich meistens auch den Nachfolger.

Besonders gut kann man das an der Entwicklung der Verbindungsmöglichkeiten zwischen den Spielen beobachten. Während man sich in den ersten Spielen noch auf den Tausch zur Vervollständigung des Pokédex und den Kampf beschränken musste, kamen im Laufe der Zeit Minispiele und Vorteile durch getauschte Pokémon dazu. Außerdem entwickelte sich auch die Technologie, mit der man die Spiele verlinkt. Zuerst gab es ein Linkkabel, mit dem man zuerst nur zwei, später dann sogar bis zu vier Konsolen verlinken konnte. Es kamen dann mit neueren Editionen  externe Erweiterungen hinzu, die auch einen drahtlose Verbindung möglich machen. Die aktuellen Konsolen haben diese Infrarotverbindung schon fest eingebaut, können Begegnungen im Vorbeigehen registrieren und sich mit dem Internet verbinden um Prämien runter zu laden oder machen es möglich in der „Nintendo Zone“ mit Spielern aus der ganzen Welt zu interagieren.

Auffällig ist hier, dass in den früheren Spielen der direkte Kontakt zu den Mitspielern nötig war; man tauschte also mit Mitschülern, Freunden und Geschwistern. Heute kommt das zwar auch noch häufig vor, es finden beispielsweise regelmäßig private oder öffentliche Turniere statt, aber es bestehen auch immer mehr Möglichkeiten zu anonymen und beiläufigen Begegnungen, die dafür jedoch über den eigenen Bekanntenkreis hinausgehen, und das Spielerlebnis erweitern. Man kann gespannt sein, welche Neuerungen in der Technologie und den Verwendungsmöglichkeiten der Vernetzung der Pokémon-Spiele noch auf uns zukommt. Das Tauschfieber wird wohl noch eine ganze Weile anhalten.

5 Gedanken zu „Pokémon und soziale Immersion oder die Evolution des Linkkabels

  1. Vielen Dank für deinen Artikel. Als besonderes Highlight gab es in dem Bereich „Verlinkung durch Begegnung“ meiner Meinung nach das Äon Ticket für ORAS, welches im Dezember 2014 freigegeben wurde. Hierbei wurden (in Deutschland) aus hunderten Bewerbern 16 Äon-Ticket Botschafter ausgewählt und mit einem solchen Äon-Ticket ausgestattet. Wenn ein solcher Botschafter dann einem anderem ORAS-Spieler per Street-Pass begegnete, wurde dieser zweiten Person ebenfalls ein Äon-Ticket überreicht. Nur mit diesem Ticket ist es den Spielern möglich Latias bzw. Latios zu erhalten. Meiner Beobachtung nach war das Äon-Ticket keine 3 Wochen im Umlauf, bis wohl jeder ORAS-Spieler der Uni ebenfalls eines erhalten hat.

    1. Danke für deinen Kommentar. Über das Äon-Ticket habe ich auch etwas gelesen. Leider habe ich selbst ORAS noch nicht, was sich aber in nächster Zeit hoffentlich ändern wird. Für alle, die das Ticket noch nicht haben gibt es im Forum der Fanseite bisafans.de einen Thread, in dem einige Ticket-Besitzer regelmäßig einen Zeitraum und Ort angeben, an dem sie sich mit eingeschaltetem DS aufhalten, sodass man im vorbeigehen das Ticket bekommen kann. Auch eine Variante der Interaktion, die erst durch die neuen Übertragungstechniken möglich wurde und vor allem für Spieler, die regional und zeitlich begrenzte Aktionen nicht besuchen können, ein echter Vorteil ist.

    2. Noch ein paar Randinfos zum Äon-Ticket:
      Das mit dem Äon-Ticket ging noch aus anderen Gründen viel schneller.
      Zum einen waren es nicht nur 16, sondern gleich 38 Spieler in Deutschland, wenn nicht mehr.
      Die Fan-Seiten „filb.de“, sowie „bisafans.de“ wurden von Nintendo beide mit 16 Codes ausgestattet, um jeweils 16 „Botschafter“ loszuschicken. Weiterhin hat auch „Streetpass Germany“ jeweils sechs Leute mit Codes losgeschickt. Des Weiteren gab es bereits kurz nachdem die ersten ihre Tickets erhalten hatten, Tricks, wie jeder das Ticket mit ein paar geschickten Kniffen von Zuhause erhalten konnte.
      Somit ging die Verteilung durch zahlreiche „Botschafter“ und diverse Kniffe viel schneller vonstatten, als ursprünglich von Nintendo geplant.

  2. Danke für den schönen Beitrag.
    Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir als 8-jährige Kinder auf der Straße oder dem Schulhof saßen und mit dem LInkkabel getauscht und gekämpft haben. Das schlimmste war damals doch, wenn es genau währenddessen irgendwie aus dem Gameboy gerutscht ist und man dann eines seiner Pokemon verloren hat…

    Wie Miriam auch schon geschrieben hat gibt es nun auch das Äon-Ticket. Ich dachte damals es würde lange dauern bis man das bekommt, aber siehe da, am ersten Spieltag hatte ich es schon 😉

    Ich finde aber die Entwicklung interessant, die du auch schön beschreibst. Früher musste man sich treffen und beieinander sitzen, damit man tauschen konnte, heute brauch ich meinen Freunden nur via Handy eine Nachricht schreiben und wir Tauschen über das Internet. Oder auch nichtmal mit Freunden sondern allein durch den Wundertausch kann man ja nun mit Menschen auf der ganzen Welt auf gut Glück tauschen. Pokemon geht hier wohl mit der Entwicklung der Technologie und nutzt das aus was es kann. Ich persönlich finde das aber gut, denn es sieht schon ziemlich cool aus, wenn man statt einem Glurak ein リザードン im Team hat 😉

  3. Vielen Dank für Ihren Artikel! Meine Vorschreiber haben hier ja schon einiges angemerkt, daher möchte ich an dieser Stelle vor allem noch einmal den Aufbau Ihres Artikels loben, den ich sehr gelungen finde. Sie steigen allgemein ein (so dass auch nicht-Eingeweihte gut folgen können) und zeichnen dann deutlich die Entwicklung des sozialen Spielerlebnisses nach.

    Das Thema lässt sich denke ich gut weiter bearbeiten, da es gerade zu Pokemon einiges an Literatur gibt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.