
Als der Roman „Kitchen“ im Jahr 1993 in westliche Sprachen übersetzt wurde, fand die japanische Autorin Banana Yoshimoto erstmals weltweit Beachtung. Zeitungen druckten positive Kritiken über die damals junge Autorin, die ihren ersten Roman in den Arbeitspausen eines Kellnerjobs verfasste. Ihre Bücher fesselten viele Leser und sogar der SPIEGEL widmete ihr einen Bericht in einer damaligen Ausgabe, der mit „Verwirrte Motten“ betitelt wurde. Was macht ihre Geschichten aus, dass sie bis zum heutigen Tag als Autorin international erfolgreich ist?
Die 1964 geborene Autorin veröffentlicht ihre Romane stets unter einem Künstlernamen, der sich von der Red Banana Flower ableitet. Mit bürgerlichem Namen heißt sie Mahoko Yoshimoto. Im Alter von 5 Jahren begann sie mit dem Schreiben, wobei ihr Vater, ein Literaturkritiker, ihr als Vorbild diente. Ihren ersten Roman „Kitchen“ verfasste sie erst nach dem Studium, doch mit diesem Werk, das mit 2 Literaturpreisen ausgezeichnet wurde, konnte sie sich der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sicher sein.
In ihren Romanen schreibt sie der japanischen Jugend aus der Seele. Sie greift sehr aktuelle, aber oft in der Gesellschaft gemiedene Themen auf, wie die Ängste die mit dem Erwachsenwerden verbunden sind. Ihre Bücher beleuchten die Lebenssituationen von jungen Japanern, und konzentrieren sich dabei vor allem auf ihre Gefühlswelt: Wie erleben die Protagonisten ihre Umwelt, welche Beziehungen gehen sie ein und wie leben sie sie aus? Auch der Verlust einer nahestehenden Person spielt häufig eine Rolle und findet sich in vielen ihrer Romane wieder. In ihrer Erzählung „Kitchen“ beispielsweise schreibt sie von der jungen Frau Mikage Sakurai, die mit dem Tod ihrer Großmutter fertig zu werden versucht. Sie befindet sich, wie viele Protagonisten in Yoshimotos Büchern, in einer Ausnahmesituation. In „Tsugumi“ beschreibt sie den letzten Sommer zweier Freundinnen, von denen eine todkrank ist. Dennoch ist es ein positives Buch, das vor allem Lebensmut widerspiegelt.

Die Geschichten, die Banana Yoshimoto erzählt, sind aktuell und zeitlos. Sie hebt nicht das Anderssein ihrer Generation hervor, sondern Gefühle und Probleme der Jugend an sich. So könnte man sämtliche Geschichten auch in eine frühere Zeit versetzen, die beschriebenen Kulissen ließen sich leicht austauschen. Durch ihren Schreibstil und die Ich-Perspektive ist es, trotz schwieriger Themen, leicht sich in die Protagonisten hineinzuversetzen.
In Deutschland wurden ihre Romane im Diogenes-Verlag veröffentlicht. Während meiner Schulzeit meinte ein Lehrer einmal, dass Bücher dieses Verlages in der Regel darauf abzielen, dass sie sich schnell nebenbei lesen lassen und literarisch dabei nicht besonders wertvoll seien. Es stimmt, dass sich Yoshimotos Romane leicht lesen lassen und dabei selten 200 Seiten in der deutschen Version überschreiten. Zweitere Behauptung zweifele ich aber an. Das erste Buch, das ich von der Autorin las, war „Tsugumi“. Man muss sich tatsächlich ein bisschen auf die Geschichten, die Yoshimoto erzählt, einlassen. Es ist kein Roman, der einfach nur unterhalten soll. Wer eines oder mehrere ihrer Werke gelesen hat versteht, dass sich Yoshimoto vielleicht nicht in eine Schublade stecken lässt, aber ihre Geschichten bleiben lange in Erinnerung und regen oft zum Nachdenken an.
DER SPIEGEL 46/1992: „Verwirrte Motten“
Danke für diesen schön geschriebenen Beitrag, bei dessen Lesen ich tatsächlich Lust auf die Geschichten besagter Autorin bekommen habe. Ich hatte immer mal wieder mit dem Gedanken spielt, mir einen ihrer Romane zuzulegen, habe mich allerdings nie überwunden. Das wird sich nun bald aber ändern. 😉
Vielen Dank für den wirklich schön geschriebenen Beitrag! Es gelingt Ihnen hier sehr gut, allgemeine Motive und Charakteristika der Autorin herauszustellen und so ein anschauliches Portrait Ihres Schaffens zu zeichnen.
Mit dem Artikel sprechen Sie ja selbst schon einige Themen und Motive an, die man in einer Hausarbeit weiter verfolgen könnte. In der Sekundärliteratur wird häufig auch ein Bezug zur japanischen shôjo-Kultur hergestellt, das wäre evtl. ein weiterer Ansatzpunkt.
Ich klinke mich hier als Japanologe einer anderen Uni (Tübingen) mal kurz in das Thema ein, da ich selbst ein wenig zum Thema gelesen habe.
Diese Rezension Frau Philipsens rückt den Aspekt der Rezeption von Yoshimotos Büchern hier in Deutschland in den Fokus. Ich möchte hier noch eine Gegenperspektive zu der Darstellung hier im Blog zitieren. Yoshimoto wird häufig nicht als „Phänomen der Popkultur“ wie in der Spielgel-Rezension, oder, wie es Frau Philipsen hier tut, als reife Literatur („zeitlos“) diskutiert. In der Regel finden sich Begriffe wie „Kitsch“, „Plakativität“ oder auch „Trash“ zur Charakterisierung der Bücher. Zwei Links zu Rezensionen der FAZ (hier exemplarisch als Stimme des konservativeren Bildungsbürgertums gewählt) verdeutlichen, was ich meine.
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/rezension-belletristik-vom-futon-der-durchblick-11318238.html
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/rezension-belletristik-im-schatten-junger-bananenbluete-124750.html
Dabei möchte ich nicht so verstanden werden, dass hier nun der deutsche Feuilleton der Weisheit letzter Schluss, unverrückbarer Prüfstein literarischer Qualität auf allen Kontinenten sei. Ich fand nur, dass diese Meinung es auch verdient hat, erwähnt zu werden.
Dass der Diogenes-Verlag, der einige der prominentesten Autoren der Gegenwart (etwa Martin Suter) verlegt, auf dem Niveau eines Populärverlages operiere, lässt mich dann ein wenig am Überblick über das deutsche Verlagswesen der oben zitierten Deutschlehrerin zweifeln. Aber das nur als Anmerkung, um die Ehre des Verlags zu retten ; )
In Japan entwickeln sich Debatten um die literarische Qualität von Yoshimotos Büchern, zumindest nach dem was ich gelesen habe, oft um die Qualität ihrer Bücher als „Frauenliteratur“. Dabei wird das Buch von vornherein nicht in seinem Bezug auf den popkulturellen Kosmos, sondern im Horizont seiner Zielgruppe diskutiert. Das literarische Werk, so könnte man nun selbst plakativ formulieren, ist also zuerst: Produkt.
Herzlichen Dank für Ihren Kommentar!
Die FAZ zeigt hier in der Tat eine sehr andere Sichtweise. Ich für meinen Teil halte die Bücher keineswegs für „Trash“. Vor allem bezüglich des ersten Artikels kann ich einige Argumentationen so auch nicht nachvollziehen – ihre Geschichten sind alltagsnah, dabei hebt sie aber vor allem emotionale Aspekte hervor. Gerade das macht sie mit ihrer Sprache, wie ich finde, gut deutlich. Die Ausdrucksweise, derer sich Tsugumi bedient, ist zudem charakteristisch für sie. Das hat für mich wenig Aussagekraft über die Qualität eines Buches und wenn überhaupt, wirkt es dadurch authentischer. Sicher, man muss sich darauf einlassen, doch es hat für mich doch sehr wenig gemeinsam mit „Plastikspielzeug aus Taiwan“. Es sind allerdings Bücher, die sich vor allem an Mädchen und junge Frauen richten. Damit trifft es sicherlich nicht ganz die Zielgruppe derer, die diese Zeitung lesen. Und das ist auch nur meine persönliche Meinung zu dem Artikel – natürlich gibt es zu diesem Thema verschiedene Ansichten und es war durchaus sehr interessant zu lesen.
Anmerken möchte ich noch, dass ich mit meinem Artikel vor allem den Eindruck wiedergebe, den ihre Bücher auf mich persönlich machten. Den Spiegel Artikel bringe ich eher an, um ihr Bekanntwerden im Westen zu verdeutlichen. Ich erhebe nicht den Anspruch, die Rezeption in Deutschland hiermit umfassend darzustellen.
Was den Verlag angeht – da kann ich Ihnen nur zustimmen. Obiges Zitat des Deutschlehrers entspricht hier auch nicht meiner Meinung, zumal ich es sowieso für eine sehr verallgemeinernde Aussage halte und ich selber viele Bücher dieses Verlages in meinem Regal stehen habe.
Hallo,
vielen Dank für Ihre Antwort. Wie ich meinen Kommentar noch mal angeschaut habe, liest der sich doch recht angriffslustig. Tut mir leid, falls ich aggressiv rüberkam. „Trash“ fand ich übrigens auch sehr heftig, außerdem ein unschönes Wort für eine Rezension.
Der Artikel lässt sich sehr schön lesen und gibt einen guten Einblick in die Werke der Autorin, wie ich finde. Persönlich habe ich leider noch keines von Banana Yoshimotos Büchern gelesen, obwohl ich zugeben muss, dass eines schon seit einiger Zeit in meinem Bücherregal steht. Dies würde ich nun gerne ändern, gerade weil ihre Werke anscheinend sehr kontrovers diskutiert werden, wie aus den letzten Kommentaren hervorging. Davon würde ich mir gerne auch selbst ein Bild machen.