Super Premium Soft Double Vanilla Rich

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Photo provided by FFT

„Super Premium Soft Double Vanilla Rich“ – beim Lesen dieses Titels werden sich vermutlich die meisten nichts genaueres darunter vorstellen können. Und doch wird man sich zugleich die Frage stellen, was dieser Titel zum Ausdruck bringen soll.

Es handelt sich dabei um den Titel eines Theaterstückes, das unter der Regie von Toshiki Okada, einem der bedeutendsten zeitgenössischen Regisseure Japans, unter anderem am 30. und 31.10 diesen Jahres an der FFT Düsseldorf aufgeführt wurde.

Das Stück, welches in einem rund um die Uhr geöffneten Convenience Store spielt, beschäftigt sich zum einen mit dem tristen Arbeitsalltag des Personals und den Aufgaben, mit denen sich diese konfrontiert sehen, sowie der Beziehung zu den Kunden. Das, was das Stück jedoch vor allem auszeichnete, sind neben den bizarren Charakteren und ihrer  eigenwilligen Dialoge untereinander, auch die Art der Sprache sowie Gestik und Mimik, welche die Protagonisten, trotz ihrer für den Zuschauer oft übertrieben wirkenden Darstellung, authentisch vermitteln.

So lästern die Kassenbesetzungen der Nachtschicht, Abe und Sakamoto, in dem einen Moment noch unter Begleitung schräger tänzerischer Bewegungen über ihren Filialleiter oder die Kunden ihres Supermarktes, während sie im nächsten Augenblick bereits diszipliniert, stillstehend der Anordnung des Filialleiters oder den Wünschen der Kunden horchen. Auf der anderen Seite die Kunden, die den Verlockungen des Konsums und der Vielfalt des Angebotes unterlegen sind, wie im Beispiel des Theaterstückes eine Dame, für die eine Welt zusammen bricht, als ihre Lieblingseissorte aus dem Sortiment gestrichen wurde und sie mit dem Versuch der Umstellung auf ein neues Produkt, das „Super Premium Soft Double Vanilla Rich“, welches dem Theaterstück seinen Namen verlieh, nicht zufrieden gestellt werden kann. Oder aber jene Kunden, die das System des Convenience Store boykottieren, indem sie den Supermarkt besuchen ohne etwas zu kaufen.

All diese Motive treiben die facettenreichen Charaktere regelmäßig in Konflikte, welche zur Musik von Johann Sebastian Bach sowie der befremdlich und zugleich alltäglich wirkenden Bewegungsabläufe und tänzerischen Choreografien dem Zuschauer eine kontrastierte Realität präsentiert, die trotz der aus Zuschauersicht überzogenen Darstellung, Bereiche der „eigene Welt“ im Hinblick auf Konsumverhalten vor Augen hält.

Im Anschluss an das Theaterstück wurde uns die Möglichkeit geboten ein Interview mit dem Regisseur, Toshiki Okada, zu führen. So bekamen wir die Gelegenheit, neben den inhaltlichen Aspekten des Stückes, weitere spannende Hintergründe rund um die Arbeit mit den Darstellern, dem Ablauf und der Person Okada zu erfahren.

Dabei erzählt uns Okada, dass er selbst einst in einem Convenience Store gearbeitet hatte, jedoch nach kurzer Zeit entlassen wurde. Zu dem Stück inspiriert wurde er nach der Atomkatastrophe von Fukushima, die Stromversorgungsengpässe zur Folge hatte. Dabei wurde für ihn durch die rund um die Uhr hell erleuchteten Convenience Stores deutlich, wie verschwenderisch die japanische Gesellschaft mit ihren Ressourcen umgeht. Zudem betonte er, dass seiner Meinung nach ein solcher Supermarkt ein Musterbeispiel für die Verschwendungs- und Konsumgesellschaft Japans sei, was ihn dazu veranlasst hatte, sich mit der Thematik kritisch auseinanderzusetzen. Auf die Frage, warum er eine fiktionale Eissorte als Titel seines Theaterstückes und als instrumentalisiertes Symbol der Konsumgesellschaft auswählte, meinte Okada, dass ein Eis etwas so „banales“ und „unbedeutendes“ als Produkt sei, was seine Intention des Stückes zunehmend unterstreichen könne. Auch mit der Musikauswahl und der Bewegungsabläufe der Darsteller wollte der Regisseur etwas bezwecken. Die Musik von Bach wählte er aus, mit dem Ziel „mal etwas anderes“ zu nehmen anstatt dem „bekannten asiatischen“, so entschied er sich für westliche Musik, in dem Fall des Theaterstückes für Bach. Obwohl es für den Zuschauer den Anschein erweckt hatte, dass die Bewegungsabläufe der Schauspieler, welche sowohl zur Musik als auch zu Handlung und Emotion der Figur optimal passte, choreografiert sind, bekräftigt Okada, dass diese nicht exakt einstudiert wurden, da es zum Ziel haben sollte, dass die Darsteller ihre Bewegungen nach Gefühl ausüben, um alltägliche Bewegungsabläufe, die Okada laut eigenen Aussagen faszinieren, überzeugender vermitteln zu können.

Auf unsere Frage, was er glaube, wie das japanische Publikum auf sein Stück reagieren werde, musste Okada selbst zunächst nachdenken, den das Stück wurde in Japan bisher noch nicht aufgeführt. Er ist sich nicht sicher, ob die breite Masse der japanischen Gesellschaft die Intention und die einhergehende Kritik dahinter verstehen würden, glaubt und hofft aber, dass jene, die sein Stück besuchen, die Aussage seines Theaterstückes begreifen und sich zu Herzen nehmen.

Zu guter Letzt gab uns Toshiki Okada noch einen Ratschlag mit auf den Weg. Okada, der zugleich auch Autor ist, betont, dass ihm an seinem Job die Zusammenarbeit mit den Schauspielern besonders große Freude bereite, obwohl er nie Regie studiert habe und sich erst spät für den Schritt des Regisseurs entschied, weil er sich dafür interessierte, ist er der Meinung, dass wenn man glaubt in etwas gut zu sein, dies auch machen solle, man könne dies sofort tun oder erst wenn man Vater, Onkel oder Großvater geworden sei, dies sollte jedem selbst überlassen sein.

Ein Gedanke zu „Super Premium Soft Double Vanilla Rich

  1. Vielen Dank für den Artikel zu der wunderbaren Theatervorstellung! Sie geben Ihrem Artikel einen echten Mehrwert, indem Sie die Ergebnisse der Diskussionsrunde mit Okada Toshiki mit einfließen lassen – So bekommt man einen Einblick in Okadas Intention und Arbeitsweise. Auch gehen Sie schön auf die Atmosphäre des Stücks ein, die unter anderem durch die besonderen Bewegungsabläufe kreiert wird.

    Ein Ausschnitt aus den Dialogen wäre noch ganz nett gewesen, aber dafür hätte man beim Stück mitschreiben müssen, was zugegeben den Genuss sicher mindert. Manchmal sind Ihre Sätze etwas lang, was vor allem beim letzten Absatz dann etwas schwer zu lesen wird – hier einfach mehrere Sätze machen.

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