Endlos zirkulierende Katzenöhrchen, Kopieren von Kopien, die Liebe zu niedlichen Mädchenfiguren: Gestern war unser Thema die Database-Theorie von Azuma Hiroki, die den Konsum (und auch die daraus folgende kreative Eigenproduktion) von Otaku erklären soll. Da es hier auf Popyura schon eine Zusammenfassung von Azumas Thesen und einen Artikel über Moe gibt, stelle ich hier nun zwei recht neue Bücher vor, die zum Thema Otaku und Moe auf dem Markt sind.
Augenschmaus mit wenig Fleisch: The Moe Manifesto
Patrick Galbraith ist ein Autor, der sich zwischen Wissenschaft und Populärkultur bewegt. Er ist ebenso Herausgeber eines wissenschaftlichen Werkes über Idols wie Autor des Bildbandes Otaku Spaces oder des „Insider-Guides“ Otaku Encyclopedia. Hinter seinem 2014 erschienenen Moe Manifesto verbirgt sich in erster Linie eine Sammlung von Interviews mit verschiedenen Akteuren des japanischen Otaku-Diskurses. Zu Wort kommen unter anderem „Otaku-Theoretiker“ Ôtsuka Eiji (vgl. Abb.), die Character-Designerin Itô Noizi (Mit-Schöpferin von Suzumiya Haruhi) und der Wissenschaftler Morikawa Ka’ichirô, der sich mit Akihabara beschäftigt hat.
Die vielen bunten Illustrationen im Buch bieten einen eindeutigen „Fan Service“, und das Werk richtet sich mit Sicherheit nicht in erster Linie an ein akademisches Publikum. So erklärt Galbraith in seiner Einleitung: „Let me speak as an advocate of moé, and propose an alliance between all those who love manga, anime and games.“ (S. 21). Galbraith liefert hier eine interessante Zusammenstellung von Positionen des Otaku-Diskurses, leider fallen die Interviews jedoch ziemlich knapp aus. Das Buch kann damit in erster Linie als ein leicht lesbarer Einstieg ins Thema gesehen werden. Zu den befragten Wissenschaftlern werden aber jeweils auch ihre Hauptwerke vorgestellt, so dass die Leserin oder der Leser leicht Ansatzpunkte für eine Vertiefung des Themas finden kann.
Otaku als weltweites Phänomen
Der Sammelband Fandom Unbound: Otaku Culture in a Connected World (2012) betrachtet Otaku nicht als rein Japan-spezifisches Phänomen, sondern beleuchtet das Thema aus einer globalen Perspektive. Das Buch ist aufgeteilt in drei Themenbereiche: 1. Der Diskurs zur Otaku-Kultur – hier wird auch noch einmal Azumas „Database Animals“-Text abgedruckt –, 2. die Infrastruktur der Otaku und 3. Einblicke in verschiedene Communitys, die hier dem Otaku-Diskurs zugerechnet werden (fujoshi, Cosplay, Arcade Gamer und Anime-Musikvideo-Fanproduktion).
Das Buch ist sicher keines, das man von vorne bis hinten durchliest – dafür sind einige Beiträge zu speziell, wie zum Beispiel der erste, der sich Eisenbahn-Otakus widmet (was nicht heißen soll, dass dieser Beitrag uninteressant ist, ganz im Gegenteil!). Es gibt aber auch einige Aufsätze, die allgemeiner ausgerichtet sind, vor allem in dem Teil, der sich der Otaku-Infrastruktur widmet. So stellt Tamagawa Hiroaki kompakt den Comic Market als die zentrale Plattform für die japanische dôjinshi-Kultur vor, und Morikawa Ka’ichirô fasst seine Forschung zum Otaku-Zentrum Akihabara zusammen.
Das Besondere an dem Buch Fandom Unbound ist, dass hier hauptsächlich Forschung japanischer Autorinnen und Autoren vorgestellt wird, die bisher nicht in westlichen Sprachen verfügbar war. Bis auf zwei Beiträge wurden alle Artikel, die hier versammelt sind, aus dem Japanischen übersetzt. Es lohnt sich damit auf jeden Fall, hier mal reinzuschauen!
Ich finde besonders das Buch “ Fandom Unbound: Otaku Culture in a Connected World“ sehr interessant, da in einigen Artikeln, meiner Meinung nach, komplett andere Ansätze, als sie bei Azuma zu finden sind, vertreten werden. Während Azuma den Otaku als Person sieht, die vorwiegend konsumiert und alleine lebt, werden die Otakus der Cosplay-Szene zum Beispiel als gut vernetzte Community beschrieben.
Ja, das zeigt ja auch schon das Problem des Begriffs „Otaku“: Das Buch ist zwar mit diesem Begriff überschrieben, aber es differiert doch stark, was in den verschiedenen Artikeln darunter verstanden wird – was auch nicht verwundert, da die Bedeutungszuschreibungen hier ja generell sehr schwanken. Meines Erachtens geht es in dem Buch in erster Linie um Fandom zu japanischer Populärkultur, und der Begriff „Otaku“ wird nur als eine Art „Buzzword“ verwendet, weil er sehr populär ist.
In der Einleitung steht ja auch schon: „For the authors of this book, otaku culture references a constellation of ‚fannish‘ cultural logics, platforms, and practices that cluster around anime, manga, and Japanese games and are in turn associated with a more generalized set of dispositions toward passionate and participatory engagement with popular culture and technology in a networked world.“
Aber auch wenn es in erster Linie um Fandom und die Netzwerkstrukturen geht, so kann man dies in vielen Fällen absolut mit dem Otaku, den Azuma zu beschreiben versucht in Verbindung bringen, wie ich finde. Man geht heute ja im Grunde davon aus, dass es nicht mehr nur „den“ Konsumenten gibt, sondern im Grunde der Prosument vorherrscht. Ich glaube, dass es bei den Otakus recht ähnlich sein könnte. Auf der einen Seite wird konsumiert, aber auf der anderen Seite auch etwas geschaffen und das was geschaffen wird, wird eventuell oft in Gruppen geschaffen und genau das beschreiben ja einige Autoren.
Insofern würde ich zwar sagen, dass es in erster Linie um Fandom geht, aber man nicht von Fandom sprechen kann, ohne es mit dem Otaku, egal in welcher Art er auch verstanden wird, in Verbindung zu bringen.
Mir hat die Lektüre dieses Buchs gezeigt, dass es durchaus verschiedene Auffassungen dieses ganzen „Fankults“ und der Otakus gibt. Nachdem ich Azuma gelesen hatte, habe ich gedacht, dass im Grunde alles darauf hinausläuft, dass die Otakus immer mehr alleine leben, aber nach der Lektüre dieses Buches, hatte ich das Gefühl, dass genau das Gegenteil der Fall ist.