Traumberuf „Gamedesigner“?

Während auf Popyura bisher hauptsächlich auf die Story oder Botschaft von Videospielen Wert gelegt wurde, möchte ich heute einmal etwas auf die Videospiel-Branche an sich eingehen. Denn wie auch ich hat sich vermutlich ein Großteil der Videospiel-Fans unter euch irgendwann einmal gedacht: „Ich möchte gerne einmal in der Videospiel-Branche arbeiten“.  Natürlich hat sich das im Laufe der Jahre bei mir wie auch vielen anderen geändert, allerdings gibt es offensichtlich ein paar Leute, die diesen „Traumjob“ tatsächlich durchziehen. Eine davon ist Celina, die auf DeviantArt unter dem Namen ZombieCeli einige ihrer Zeichnungen und Entwürfe aus dem Bereich des Gamedesigns veröffentlicht. Sie studiert Gamedesign in München, eine der wenigen Hochschulen in Deutschland, die dies anbieten. Im Grunde besteht ihr Studiengang, ähnlich wie bei Firmen, aus einzelnen Projektphasen, in denen intensiv an einem solchen Projekt gearbeitet wird. Momentan arbeitet sie mit ihrem Team zum Beispiel an einem rundenbasierten Puzzlegame für mobile Geräte, das den Arbeitstitel „Re.Cube“ trägt.

Aber wie genau sieht so eine Projektphase aus? Im Grunde besteht ein Projekt aus drei einzelnen Phasen: Prephase, Hauptphase, und das Polishing.

Die Prephase

Ganz am Anfang stehen die Fragen: „Was machen wir für ein Spiel? An wen soll es gerichtet sein, worum soll es gehen, wie setzt man das am besten um?“ Solche Fragen werden in Projektbesprechungen geklärt, in denen dann auch die Teams eingeteilt werden. Im Grunde bedeutet das die Zuteilung zum Tech Department oder Art Department, oder auch die Aufteilung in 2D und 3D-Artists. Im Falle von „Re.Cube“ zum Beispiel muss ein Großteil dem 3D-Art-Team zugeteilt werden, da dieses Spiel hauptsächlich in 3D gemacht werden soll. Ebenso mag es bei anderen Projekten umgekehrt aussehen.

Danach ist die Recherche dran. Recherche ist bei Spielentwicklungen wichtig, sehr sogar. Gut 90% des Projektes besteht aus Recherche, da in dieser Phase festgestellt werden muss, ob die Idee überhaupt marktfähig ist, ob es nicht schon genug ähnliche Spiele gibt, ob die Konkurrenz zu stark ist, etc.

Hat man dann eine Idee gefunden, die innovativ und marktfähig genug ist, um sie als Projekt zu nehmen, dann ist aber immer noch zu beachten: Der Producer des Spieles steht über allem; er ist es im Grunde, der das Spiel macht, und hat folglich auch jegliche Entscheidungskraft. Es ist also egal, ob sich zum Beispiel der Gamedesigner ein wunderschönes Fantasy-Game mit vielen verschiedenen Enden wünscht, wenn der Producer hingegen ein Sportspiel mit ausschließlich weiblichen Charakteren und jede Menge Fanservice will. Traurig, aber wahr. Der Grund dafür ist natürlich, dass Spiele sehr publikumsorientiert sind, und folglich kann man auch mit guten Ideen nicht mehr unbedingt ein gutes Spiel machen. Denn was zählt sind der Konsument und die Unique Selling Points (USP), welche zum Beispiel Neuerungen, Besonderheiten oder der gezielte Einsatz eben jener bedeutet. Als Beispiel nennt Celina „Boktai“, ein Spiel für den GameBoy Advance, das den USP hatte, dass mit einem Sensor Sonnenlicht aufgenommen werden konnte, welches dann im Spiel einsetzbar war. Diese Idee war absolut innovativ und gut eingesetzt, bei uns allerdings weniger erfolgreich, da es das Zielpublikum nur bedingt ansprach.

Es ist also unglaublich wichtig für Producer, diese USP zu beachten und gezielt einzusetzen, ansonsten kann die Firma leicht pleite gehen – wie zum Beispiel der Producer von Rune Factory, einem Harvest Moon-Ableger, bei dem die Idee der Kombination von Fantasy-Game und Farm-Simulation scheinbar auf Dauer nicht innovativ genug war.

Als nächstes sind die Gamedesigner an der Reihe. Sobald die Idee da ist, sind sie zuständig dafür, das Spiel zu beschreiben. Und mit beschreiben meine ich wortwörtlich beschreiben: Sie notieren, wie das Spiel funktionieren soll. So beschreiben sie zum Beispiel, wie die einzelnen Gegner agieren sollen, wie die KIs funktionieren müssen, beschreiben die Monster, NPCs, Items, Menüs, und so weiter. Dies ist vonnöten, damit die Programmierer später in der Hauptphase wissen, was sie zu tun haben und was sie genau mit ihrer Programmierung erreichen sollen – denn jeder kleine Schritt muss ja geplant sein.

Diese Aufgabe der Gamedesigner dauert sehr lange, und befindet sich zum Großteil in der Prephase. Im Idealfall endet ihre hauptsächliche Arbeit damit, und sie müssen nur noch gewisse Dinge mehr ausformulieren.

Zu den Gamedesignern gehört meistens auch noch der Visual Keeper. Diese Rolle kann zwar eigentlich jeder sein, so auch ein Producer oder Artist, aber im Grunde es ist ein Designer. Der Visual Keeper hat die Aufgabe, die Idee des Projektes im Kopf zu behalten. Das klingt jetzt etwas schwammig, ist aber im Grunde recht simpel: Er ist derjenige, der die Idee festlegt und festgelegt hält, damit einer im Projekt dabei ist, der für alle die Idee auf dem gleichen Level hält. Ansonsten könnte es dazu kommen, dass verschiedene Abteilungen unterschiedliche Vorstellungen haben – und wenn die Artists sich ein Spiel im Science Fiction-Stil vorstellen, den Designern allerdings eher ein quietschbuntes Design vorschwebt, dann kann eine Zusammenarbeit nicht funktionieren. Ergo der Visual Keeper, der die Idee für die anderen festhält, damit die Vorstellungen nicht auseinandergehen.

Concept Art für „Re.Cube“ (entfallenes Design) ©ZombieCeli
Concept Art für „Re.Cube“ (entfallenes Design) ©ZombieCeli

Dem Visual Keeper ähnelt in der Hinsicht der Creative Director. Dieser ist allerdings dafür zuständig, die Kommunikation zwischen den einzelnen Abteilungen zu ermöglichen, und auch die Schnittstellen abzudecken (was voraussetzt, dass er von allen Abteilungen zumindest ein wenig Ahnung hat). Er sorgt also dafür, dass zum Beispiel die Texturen (oder alle anderen Elemente) zusammenpassen, so dass nicht die Textur eines Baumes sehr detailliert und realistisch wirkt, während das Haus daneben eine absolut minimalistische Textur hat.

Concept Art für „Re.Cube“ (entfallenes Design) ©ZombieCeli
Concept Art für „Re.Cube“ (entfallenes Design) ©ZombieCeli

Auch noch in die Prephase gehören die Artists, die hier nun entsprechend der Idee und den Beschreibungen der Designer die Konzepte, also Concept Arts, darbringen müssen. Aber die richtige Arbeit beginnt für sie dann in der Hauptphase.

 

 

 

Die Hauptphase

Environment Design für „Re.Cube“ zur Darstellung der Vision ©ZombieCeli
Environment Design für „Re.Cube“ zur Darstellung der Vision ©ZombieCeli

Die Hauptphase bedeutet für die Artists nun: Animieren, und alles was dazu gehört. Hierbei wird zwischen 3D und 2D

Artists unterschieden. Die 3D Artists sind aufgeteilt in 3 Untersparten: Diejenigen, die für’s Modelling zuständig sind, die für die Animationen, und die für das sogenannte Riggen. Riggen bedeutet im Grunde das Erstellen der Knochen („Bones“) für die Charaktere, da diese für geschmeidige Bewegungen und ähnliches wichtig sind. Dieser Job ist wortwörtlich ein Knochenjob, da es hier ganz besonders häufig zu Bugs kommen kann. Vermutlich kennen viele von euch das „Laufspiel“ QWOP; genau solche unnatürlichen Bewegungen, wie in diesem Spiel gezwungenermaßen zustande kommen, soll das Riggen verhindern. Und umso mehr Knochen ein Charakter hat, umso detaillierter wirkt er. Ein gutes Beispiel hierfür wäre der Protagonist aus The Last Of Us : Dieser hat sage und schreibe mindestens 300 „Knochen“ alleine im Gesicht, was die Bewegung und das Aussehen des Charakters so unglaublich real wirken lässt.

Die 2D Artists hingegen sind für Texturen, Concepts (inklusive Environment Art), Designs (von Charakteren, Items, etc.) und User Interface zuständig.

Beispiel für die Textur eines Baumes ©ZombieCeli
Beispiel für die Textur eines Baumes ©ZombieCeli

Das User Interface beinhaltet zum Beispiel Menüs und das Feedback, das der Spieler vom Spiel bekommt, also Belohnungen oder Titel für Errungenschaften, oder auch die altbekannten Achievements.

2D und 3D Artists arbeiten in der Hauptphase natürlich nicht alleine, sondern in Kooperation. So ist zum Beispiel bei einer simplen Extra-Sequenz für das Trinken eines Trankes im Spiel eine starke Zusammenarbeit nötig. Zuerst entwirft der 2D Artist den Trank an sich, und der 3D Artist modelliert diesen dann. Danach entwickelt der 3D Artist die Cutscene dafür (ohne den Trank an sich), und gibt sie an den 2D Artist, der die Textur für die 3D animierte Flasche macht und den vollständigen Trank in die Sequenz einfügt. Erst dann ist die Sequenz, die vielleicht ein, zwei Sekunden dauert, fertig.

Beispiele für Animationsabläufe (Concept Art) ©ZombieCeli
Beispiele für Animationsabläufe (Concept Art) ©ZombieCeli

Ebenfalls in die Hauptphase gehören die Programmierer und die Level-Designer. Die Aufgabe der Programmierer lässt sich ganz simpel beschreiben: Sie programmieren das, was von den Gamedesignern beschrieben wurde. Die Level-Designer hingegen sind dafür zuständig, die Level zu bauen (also alle Elemente, wie Charaktere, Assets, Events etc. zusammenzusetzen) und zu schauen, was in dem erstellten Raum funktionieren kann, und was nicht. Falls irgendetwas nicht funktioniert, so geben sie das an die Gamedesigner zurück, welche das Ganze überarbeiten und neu beschreiben müssen, damit die Programmierer ihren Job machen können.

Beispiele für Animationsabläufe (Concept Art) ©ZombieCeli
Beispiele für Animationsabläufe (Concept Art) ©ZombieCeli

Das Polishing

Noch während der Hauptphase, und auch während dem Polishing, gibt es noch zwei bedeutende Gruppen, welche inzwischen leider nur noch optional sind. Diese beiden Gruppen wären die Quality Assurance und die Spieletester. Die Quality Assurance ist zum Beispiel dafür da, die Spieletester von inner- und außerhalb der Firma zu suchen, auch wenn es inzwischen mehr zu Testern innerhalb der Firma tendiert. Viele Firmen haben zudem auch leider so viele Deadlines einzuhalten, dass die Zeit für eine gründliche Quality Assurance kaum noch reicht. Die Spieletester selbst haben dann – entgegen der allgemeinen Annahme – einen ziemlich anstrengenden Job, weshalb sich viele Firmen eben dies nicht leisten wollen oder können. Die Aufgabe der Spieletester ist es, eine Liste, die sie von Programmieren bekommen, abzuarbeiten. Auf dieser Liste stehen dann zum Beispiel Orte oder Tätigkeiten, die immer und immer wieder ausgetestet und auf Fehler untersucht werden müssen. Fehler müssen berichtet werden, und dann nach Ausbesserung neu untersucht werden, um festzustellen, ob Fehler behoben worden sind oder sich vielleicht sogar neue aufgetan haben. Folglich ist die Aufgabe des Spieletesters nicht, ein Spiel durchzuspielen, sondern viele einzelne Stellen immer und immer wieder zu wiederholen.

Selbst, wenn die Spieletester nicht mehr so häufig sind, so müssen die Spiele natürlich trotzdem noch weiter aufpoliert, und Fehler ausgebügelt werden. Wenn dies nicht zu genüge getan wird, dann kann es zu einigen störenden Bugs kommen. Ein gutes Beispiel dafür, dass die Spieler-Community einen solchen Fehler im Polishing ausbaden musste, ist der recht bekannte Illumina City-Bug in Pokemon X und Y, welcher dafür sorgen konnte, dass der komplette Spielstand des Spielers beschädigt wurde und nicht mehr nutzbar war.

Ihr dürftet also gemerkt haben, wie viel Talent, Ausdauer und Verständnis für diesen Beruf gebraucht wird – besonders das Verständnis, dass eine innovative Idee alleine leider kein Spiel macht. Nichtsdestotrotz ist die Videospiel-Branche ein sehr interessantes Tätigkeitsfeld, ob nun von innen oder – in meinem Fall natürlich – als Außenstehender betrachtet.

 

Noch zusätzlich ein kleines Video zum Thema: „So you want to work in the video game industry?“

Vielen Dank an Celina und ihre tolle Unterstützung bei dem Thema.

7 Gedanken zu „Traumberuf „Gamedesigner“?

  1. Danke für diesen Blick hinter die Kulissen. 🙂 Es ist interessant zu sehen, wie die verschiedenen Abteilungen ineinander greifen müssen, damit ein Spiel entstehen kann.

  2. Ich finde es immer wieder beeindruckend, wie viele unterschiedliche Arbeitsschritte und Zeitaufwand hinter einem solchen Projekt stecken; ich sehe mir gern ab und zu Tutorials zu dem Thema an, weil ich es sehr faszinierend finde, wie alles funktioniert.
    Dein Artikel ist (trotz des, wie ich finde, nicht immer ganz übersichtlichen Themas) gut zu verstehen; ein interessanter Beitrag 🙂

  3. Das in so einem Game viel Zeit und Arbeit steckt, ist, denke ich, jedem bekannt, aber ich dieser wunderbar ausführliche Artikel verdeutlich nochmal wie viel Arbeit es ist, wie viele verschiedene Aufgaben und Arbeitsschritte durchlaufen werden müssen, um am Ende ein funktionierendes Spiel präsentieren zu können. Da ich mich vorher wenig damit beschäftigt habe, finde ich es sehr interessant zu sehen, was diese Arbeitsschritte sind und wie das Ganze so abläuft. Danke für diesen tollen Einblick in das Berufsfeld des Gamedesigners. 🙂

  4. Ich finde es sehr gut, dass du die einzelnen Phasen so genau beschreibst. Dann und wann kann es etwas unübersichtlich wirken, aber ich fand deinen Artikel trotzdem unheimlich gut! Es ist faszinierend, wie viel Arbeit hinter so einem Spiel steckt und ich muss ganz ehrlich sagen, dass das absolut nicht mein Beruf wäre. Ich genieße lieber das, was dann dabei rumkommt. 😀

  5. Danke für diesen Beitrag, es ist wirklich sehr interessant mal einen Ablauf der Entwicklung eines solchen Spiels zu sehen und welche Phasen alle notwendig sind, damit dieses entstehen kann. Natürlich gehört viel Kreativität und Können dazu, um in diesem Beruf tätig sein zu können. Allerdings wird wohl der ein oder andere, der schon mal in Betracht gezogen hat diesen Beruf zu erwählen gemerkt haben, dass es neben diesen Kreterin noch eine ziemlich hohe Hürde gibt, nämlich die Aufnahme auf solch einer ,,Game-Design-Hochschule“. Entweder man ist Millionär und kann es sich leisten unverschämt hohe Studiengebühren an Privathochschulen zu zahlen oder man hat wirklich sehr viel Glück und ergattert einen der begehrten Plätze auf einer staatlichen Hochschule. Natürlich bedeutet dies nicht, dass jeder, der gerne mal Game-Designer werden möchte diesen Traum aufgeben sollte, denn es gibt bestimmt genügend Möglichkeiten oder Alternativen doch noch in den Studiengang hineinzukommen. Jedem, der sich genauer über den Beruf oder die Aufnahme auf solch einer Hochschule informieren möchte, empfehle ich auf jeden Fall mal einen Besuch auf der jährlichen Gamescom in Köln. Dort gibt es genügend Stände, an denen Entwickler einem auf Nachfrage alles über die verschiedenen Möglichkeiten und Aufnahmebedingungen erklären.

  6. Vielen Dank auch von mir für den tollen Artikel! Ich kann mich den anderen Kommentaren nur anschließen. Durch Ihren Kontakt zu einer Gamedesign-Studentin konnten Sie hier Inhalte liefern, die für viele sicher neu sind – ein USP für unseren Blog 😉

  7. Eine Freundin von mir will auch gern Game Designerin werden. Ich werd ihr den Artikel auf jeden Fall wärmstens ans Herz legen. Er verschafft einen guten Überblick, wo sie sich bestimmt gut überlegen kann, was genau sie denn im Bereich game Design machen möchte. Vielen Dank!

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