おもひでぽろぽろ, Omohide Poro Poro | Only Yesterday

omohide
Flickr cc, Juni Xu

Tränen der Erinnerung heißt dieser Film und ist eine Produktion von dem wohl bekannten Ghibli Studio. Die kleine Taeko erlebt in ihrer Kindheit viele prägende Ereignisse, die sie als Rückblende während der Fahrt ins ländliche Japan, um dort wieder zurück zu ihrem Ursprung zu finden, erfährt. Dieser Film ist mehr als eine Unterhaltung, da vor allem die Moderne und das schnelle Stadtleben kritisiert werden. 

Hintergrundwissen

Regie führte Isao Takahata- auch bekannt aus dem Film „Die letzten Glühwürmchen“.  Der Film basiert auf dem gleichnamigen Manga von Hotaru Okamoto. In diesem wird allerdings der Fokus auf Taeko im Alter von zehn Jahren gelegt. Takahata konzentrierte sich dagegen mehr darauf, den Film mit Rückblenden auszustatten.  Anfänglich wurde die Umsetzung des Manga abgelehnt, da man der Meinung war, dass die Geschichte nicht interessant genug sei. Takahatas langjähriger guter Freund Hayao Miyazaki springt jedoch als Produzent ein. Isao Takahata bekam von der Kritik großes Lob für seine Art der Erzählweise. Wenn man diesen Anime sieht, dann wird einem auch klar wieso.  Das Tempo ist ein langsames und erreicht deswegen seine Wirkung. Man legte auch viel Wert auf Realismus der einzelnen Charaktere. So hat Taeko Lachmimikfalten und Toshio (mehr dazu unten) wird so synchronisiert, dass man meinen könnte, man würde sich gerade spontan mit dieser Person unterhaltenm – ja, man vernimmt sogar hin und wieder eine Art „Schmatzen“ bevor er mit dem neuen Satz beginnt.  Auch auf die Landschaft wurde großen Wert gelegt. So ist das Team mehrere Male nach Yamagata gefahren, um sich ein realistisches Bild zu machen. Der Film war im übrigen erfolgreichster Film 1991.

Handlung

Die kleine zehnjährige Taeko ist ein Großstadtkind, da sie in Tokyo groß wird. Allerdings wünscht sie sich, ihre Großmutter auf dem Land zu besuchen, da sie einen Reiz verspürt unbedingt einmal wieder auf das Land hinaus zu wollen. Jedoch erfüllt sich dieser Wunsch erst einmal nicht. Die erwachsene Taeko ist dagegen endlich mit dem Zug auf dem Weg nach Yamagata, um die Familie des Ehemanns ihrer Schwester zu besuchen, da sie von ihrem Beruf eine Auszeit brauchte. In diesem Zug erinnert sie sich an die Geschehnisse aus ihrer Kindheit zurück. So macht sie Bekanntschaft mit ihrer ersten Liebe, für die sie noch viel zu schüchtern ist und auch mit dem Probieren einer Ananas, welche sie sich um einiges leckerer vorgestellt hat. Allerdings war sie so gespannt darauf, etwas neues auszuprobieren und so bleiben ihr nur die Kommentare der Familie, dass Bananen eben doch die Könige der Früchte bleiben. Allgemein scheint der Rest der Familie die Einstellung zu haben, keine Änderungen zu wollen und auch keine Risiken in Kauf zu nehmen. Denn auch als Taeko als Schauspieltalent entdeckt wird, ist die Familie dagegen, ihr diese Karriere zu gewährleisten.  Ein anderes bewegendes Ereignis ist auch ihre erste Ohrfeige von ihrem Vater, die sie kassiert, als sie nicht mit der Familie zu einer Verabredung gehen will. Ihr geht es dabei allein darum, dass es ihr im Gegensatz zu ihrer Schwester an einer Handtasche mangelt.

Zu erwähnen wäre auch noch, dass Taeko unheimlich schlecht in Mathe ist und daher immer zum Gespött der Familie wird. Die Großmutter, die der Meinung ist, dass jeder ein anderes Talent besitzt, steht mit ihrer Meinung alleine da. Denn im schnelllebigen Tokyo ist kein Platz für Schwäche. Als Erwachsene reist Takeo wieder aufs Land und macht dort sofort Bekanntschaft mit Toshio, der seine alte Arbeit aufgegeben hat, um Landwirt zu werden. Er vergleicht die alte Agrarwirtschaft mit der neuen und beeindruckt Taeko mit seiner ruhigen, ausgeglichenen und glücklichen Art. Sie verliebt sich in ihn und ist von dem späteren Angebot der Familie, Toshi zu heiraten zutiefst beschämt, da sie sich bisher nie einer Herausforderung wirklich gewachsen sah. Denn schon als Kind hatte sie schon allein Angst davor, ihre Tage zu bekommen und damit umzugehen. Auch Angst davor, deswegen ausgelacht zu werden. Man könnte sagen, dass jeder Schritt zum Erwachsen werden für sie eine große Hürde war.

Problematik, die in diesem Film thematisiert wird

Der Anime ist während der Wirtschaftskrise in Japan entstanden, als die Spekulationsblase platzte. In diesem Zusammenhang wird in dem Film eine Identitäskrise Japans angesprochen. Wir alle schätzen das traditionelle Japan. Jedoch geht in der Moderne vieles von dem verloren.  In dem modernen Schulsystem gibt es keinen Platz für leistungsschwache Schüler. Das heutige Leben in Tokyo ist der komplette Gegensatz zu den alten Zeiten auf dem Land. Taeko fühlte sich schon als kleines Kind zum Land hingezogen und findet dort eine ruhige Gegend vor. Die Leute sind nett zu ihr, sie geben ihr Arbeit bei der Blumenernte, die zwar hart ist, ihr aber viel Freude bereitet. Sie fühlt sich zugehörig und gebraucht. Hier zählt es nicht, wie gut sie in Mathe ist, sondern wie tüchtig sie ist und trotzdem bleibt ihr noch Zeit, das Land zu bestaunen. Der Film ist der beliebteste 1991. Für mich ist das ein Zeichen, dass sich viele Japaner mit diesem identifizieren können. Spüren wir instiktiv, dass diese überladene Gesellschaft, die Schnelligkeit und der technikbasierende Alltag unserem Ursprung nicht gerecht wird? Dass eine Stadt, die nicht schläft und voller Neuem steckt zwar unheimlich interessant sein kann, aber auf Dauer kein Heimatgefühl auslöst? Wie viele Taekos gibt es in Japan? Und doch ist dies nicht nur ein Problem vieler Japaner, sondern auch unseres.

Ein Gedanke zu „おもひでぽろぽろ, Omohide Poro Poro | Only Yesterday

  1. Schön, dass Sie hier einen schon etwas älteren „Schatz“ aus dem Studio Ghibli ausgegraben haben. Sie beschreiben schön die Atmosphäre dieses Films.

    Was die Identitätskrise angeht, haben Sie sicher Recht, dass dies hier im Film reflektiert wird. Allerdings sollte man meiner Meinung nach vorsichtig sein und diese stark polarisierende Sicht (Stadt=schlecht, Land= Ideal), die im Film auftaucht nicht einfach übernehmen. Ich würde sagen, hier wird ein Idealbild geschaffen, ein „Fluchtpunkt“, eine nostalgische Sicht auf die Vergangenheit, als noch „alles gut war“.

    Wenn man den Film untersuchen würde, würde sich hier sehr gut der furusato-Diskurs als Hintergrund anbieten. Falls Sie evtl. gerade auch das Seminar „Heimat in Japan“ besuchen, wissen Sie darüber ja schon Bescheid 🙂

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