„Der vorstehende Nagel wird eingehämmert“ (出る杭は打たれる) heißt es in einem bekannten japanischen Sprichwort. Dies mag in vielen Bereichen des japanischen Lebens auch heute noch stimmen, jedoch kam es in Japan in den 80er Jahren zu einer regelrechten Rebellion gegen die Homogenität Japans. Besonders junge Menschen wollten sich nicht länger vorschreiben lassen, wie sie auszusehen und was sie zu tun hatten. Unter ihnen auch Yoshiki Hayashi (林佳樹) und Toshimitsu Deyama (出山利三), besser bekannt als Yoshiki und Toshi von X Japan.
Es begann bereits 1977 als die damals elfjährigen sich entschlossen, eine Band zu gründen. Zunächst nannten sie sich Dynamite, änderten den Namen aber bereits 1978 in Noise um. Nachdem sie sich 1982 trennten, formten Yoshiki und Toshi gemeinsam eine neue Band. Sie nannten sich X, wollten aber weiterhin über einen anderen Namen nachdenken. Dass X schließlich zu einem so großen Phänomen werden würde (und ich spreche hier nicht nur als Fan), hätte damals wohl niemand gedacht.
Das Line-Up wechselte im Laufe der Jahre mehrfach, bis es 1987 zum ersten Mal als einigermaßen komplett bezeichnet werde konnte. Jedoch schied Gitarrist Isao kurze Zeit später nach einem Verkehrsunfall aus und Pata übernahm die zweite Gitarre.
Das erste bekannte Line-up war also komplett mit Toshi (Gesang), Yoshiki (Drums, Piano), hide (Gitarre), Pata (Gitarre) und Taiji( Bass).
X fielen besonders durch ihre teils sehr wilden Kostüme stark auf und sorgten in Japan für großes Aufsehen – manch einer mochte vielleicht sogar von einem Skandal reden. Erklärtes Ziel besonders von Yoshiki war es, mit ihren Outfits zu provozieren und sich nicht von besagtem japanischem Denken einschränken zu lassen. Weiterhin sagte er, sie hätten sich von Kiss in ihren Outfits inspirieren lassen.
Auch das Motto der Band, dass sich zu diesem Zeitpunkt von Sexy Scandal X love Violence zu Psychedelic Violence – Crime of Visual Shock gewandelt hatte, spricht Bände. Es ging X besonders in ihrer Anfangsphase hauptsächlich darum, möglichst „heavy metal“ zu sein und gegen alles zu rebellieren, was sich finden ließ. Auch ihre Musik, die trotz der Arbeit und Planung, die im äußeren Erscheinungsbild der Band steckte, im Vordergrund stand, war für japanische Ohren wohl ziemlich neu. Die harten „speed metal sounds“ stießen auf Beliebtheit, der ganz große Erfolg blieb zunächst allerdings aus. Erst mit dem Album-Release von „Blue Blood“ 1989 kam der große Durchbruch.
Das Album beinhaltete die gewohnten schnellen und harten Songs, enthielt allerdings auch Balladen, gegen die sich die Band zunächst gesträubt hatte, da sie nicht aus ihrer „Metal“-Schublade rutschen wollten.
Schließlich entschied man sich doch für Balladen und „endless rain“ wurde zu einem ihrer größten Hits und bekanntesten Lieder bis heute. Balladen und weniger harte Rock-songs sprachen nämlich ein wesentlich größeres Publikum in Japan an und X wurde praktisch über Nacht zum Überflieger.
Der Erfolg wuchs, sie bekamen zahlreiche Auszeichnungen als Band. Es hätte kaum besser laufen können.
Nach der Veröffentlichung ihres dritten Albums „Jealousy“ 1991 kamen zeitgleich die ersten gravierenden Probleme. Die Differenzen zwischen Taiji, der mehr Mitspracherecht forderte, und Yoshiki wurden so unumgänglich, dass Yoshiki kurzerhand Taiji aus der Band warf. hide, der daran festhielt, dass Taiji der beste Bassist Japans sei, war unzufrieden mit der Entscheidung, konnte Yoshiki allerdings nicht mehr umstimmen.
Zu dieser Zeit entschloss sich Yoshiki, der seit jeher die Rolle des Leaders eingenommen hatte, sowie als Songwriter und Komponist agierte, nach Übersee zu expandieren. Hierbei stieß er allerdings auf rechtliche Probleme, da es in Amerika bereits eine Band mit dem Namen X gab. Nachdem sie den Rechtsstreit verloren hatten, musste ein neuer Bandname her. Und so einigte man sich auf X Japan.
Nach dem unfreiwilligen Ausstieg Taijis stieß 1992 dann Heath zur Gruppe und dieses Line-Up sollte vorerst Bestand haben. Heath sah sich zu Beginn seiner Zeit bei X Japan mit einigen Problemen konfrontiert, hatten die Fans doch Probleme, sich an den neuen Bassisten zu gewöhnen. Sie sahen ihn als nicht gleichwertig mit Taiji und seine Kleidung passte laut der Fans nicht zum Konzept von X Japan. Diese Zweifel und Probleme zerstreuten sich jedoch bald und Heath gehört bis heute zum Line-Up von X Japan.
Einen weiteren musikalischen Meilenstein schufen X Japan 1993 mit ihrem Song „The Art of Life“, ein 34-minütiger Epos, das wohl X Japans ganzes Potenzial aufzeigte, auch wenn es nie in den USA veröffentlicht wurde.
Mit ihrem vierten Album „Dahlia“ waren X Japan erneut auf dem Zenit ihrer Karriere, sie füllten die größten Hallen und wurden in ganz Japan als regelrechte Helden gefeiert.
„Dahlia“ war nicht nur das vierte Album X Japans, es zeigte deutlich auch einen Wandel innerhalb der Band. Obwohl die Lieder ausnahmslos ihrem heavy-metal Stil treu blieben, so wirkten sie doch erwachsener und komplexer.
Auch im Äußeren der Band (außer bei hide) zeigte sich eine deutliche Veränderungen. Die zuvor charakteristischen langen Mähnen und verrückten Kleider wichen, das Erscheinungsbild wurde seriöser, erwachsener.
Yoshiki plante weiterhin Großes für X Japan, jedoch kam es dazu nicht mehr, denn 1997 verkündete Toshi seinen Ausstieg bei X Japan und es kam noch im selben Jahr zur Auflösung der Band.
Yoshiki und hide planten ein großes Comeback mit neuem Sänger für 2000, jedoch kam es dazu nicht mehr.
Hide, der beliebte Gitarrist X Japans, der auch Solo Karriere gemacht hatte und sich in ganz Japan großer Beliebtheit erfreute, beging am 2. Mai 1998 Selbstmord.
Dieser Schock war sowohl für Fans als auch für X Japan kaum zu verdauen und es wurde still um X Japan.
2007 dann verkündete Yoshiki, dass X Japan als X Japan Reunion zurückkehren würden. Zunächst hieß es, unbekannte Gitarristen würden hides Parts übernehmen, allerdings wurde aus den „unbekannten Gitarristen“ bald Luna Sea’s Gitarrist Sugizo der 2009 offiziell als Mitglied von X Japan anerkannt.
Besonders ist, das Sugizo stets als 6. Mitglied vorgestellt wird, da hide weiterhin das fünfte Miglied und „eternal member“ von X Japan ist.
Dies geht soweit, dass X Japan hide in Form eines Hologramms auf die Bühne zurückholten. So geschehen bei ihrem Konzert im Tokyo Dome 2008.
X Japan haben in ihrer mehr als 30- Jährigen Bandgeschichte ihre Spuren in der japanischen Musikszene hinterlassen. Nicht wenige japanische Musiker geben auch heute noch an, wesentlich von X Japan beeinflusst worden zu sein und nicht nur Fans können gespannt sein, was wir in Zukunft noch von X Japan hören werden.
Ein Beitrag von Jana Krause und Carolin Giesenberg
3 Gedanken zu „X Japan“
Vielen Dank für das ausführliche Portrait, das sich gut liest! Sie scheinen sich ja im Bereich J-Rock sehr gut auszukennen.
Für die weitere Beschäftigung mit dem Thema sehe ich verschiedene interessante Möglichkeiten, am spannendsten würde ich selbst aber eine Untersuchung von Hides Stellenwert für die Band und in der Fanszene finden. Man könnte untersuchen, wie hier ein Toter integriert, betrautert oder auch als eine Art Ikone verehrt wird. Es gibt sogar schon einen Artikel, der in diese Richtung geht: „I quit my job for a funeral: The Mourning and Empowering of a Rock Star“ von Carolyn Stevens in dem Buch „The Making of Saints: Contesting Sacred Ground“. Der ist aber noch recht kurz, man kann also sicher mehr daraus machen 🙂
Diese Band live zu erleben war eines der besten Ereignisse in meinem Leben!
Es war einfach nur fantastisch!
Man merkt bei jedem Ton, dass diese Musiker einfach wirklich das Leben, wofür sie gekämpft haben und was ihre Herzen erfüllt.
Es war der Wahnsinn, wie sehr sie dieses Gefühl weitergeben können.
Da mein Herz seit über zehn Jahren (wie die Zeit vergeht… O_O) primär für J-Rock schlägt und ich durch das Lesen von Yoshikis Biographie und durch zahlreiche Interviews ein gutes Bild davon habe wie schwer es für diese Art von Musik am Anfang war kann ich diesen Männern einfach nur von Herzen für das Dankbar sein, was sie durch ihren Ehrgeiz, ihren Willen, ihr Talent und ihren Mut erreicht und ermöglicht haben.
hides Stellenwert ist natürlich in der ganzen Fanbase immerzu präsent und auch bei mir hat er einen besonderen Platz.
Auch heute noch sehe ich mir regelmäßig Konzert-DVDs und Kollektionen von ihm an und genieße seine Musik. (das letzte Mal, als ich eben nach dem Populärkulturkurs zurück nach Hause gefahren bin 😀 )
Er war ein wahres Naturtalent.
Das mit dem Selbstmord ist eine sehr umstrittene Sache, da die Todesursache auch heute noch als nicht geklärt gilt… sein regelmäßiger Alkoholgenuss spielt dabei natürlich auch eine Rolle.
X Japan stellt für mich nicht nur irgendeine, wirklich sehr gute, Band dar, sondern ist eigentlich schon legendär und auch die Einzelprojekte der Musiker sind sehr empfehlenswert. Immerhin hat Hollywood das auch schon erkannt, während ich von vielen Seite oft nur Kopfschütteln ernte. 😀
Doch hinter dem (früher visuell natürlich noch viel extremeren) Auftreten steckt einfach pures Talent!
Ich hoffe sehr darauf, dass das von Yoshiki versprochene Klassikkonzert in Deutschland im Mai stattfinden wird, denn neben der Rock-Musik ist dieser Mann an seinem Flügel einfach nur umwerfend!
Ich könnte stundenlang schwärmen, da es sich bei dieser Band wirklich um eine Herzenssache von mir handelt, aber möchte hier nicht übertreiben, sondern dir lieber für den Artikel danken, da diese Männer definitiv einen Meilenstein gelegt haben, was die heutige J-Rock-Szene angeht. ^.^
Wer sich für Rockmusik interessier sollte sie unbedingt einmal live sehen!
Vielen Dank für das ausführliche Portrait, das sich gut liest! Sie scheinen sich ja im Bereich J-Rock sehr gut auszukennen.
Für die weitere Beschäftigung mit dem Thema sehe ich verschiedene interessante Möglichkeiten, am spannendsten würde ich selbst aber eine Untersuchung von Hides Stellenwert für die Band und in der Fanszene finden. Man könnte untersuchen, wie hier ein Toter integriert, betrautert oder auch als eine Art Ikone verehrt wird. Es gibt sogar schon einen Artikel, der in diese Richtung geht: „I quit my job for a funeral: The Mourning and Empowering of a Rock Star“ von Carolyn Stevens in dem Buch „The Making of Saints: Contesting Sacred Ground“. Der ist aber noch recht kurz, man kann also sicher mehr daraus machen 🙂
Diese Band live zu erleben war eines der besten Ereignisse in meinem Leben!
Es war einfach nur fantastisch!
Man merkt bei jedem Ton, dass diese Musiker einfach wirklich das Leben, wofür sie gekämpft haben und was ihre Herzen erfüllt.
Es war der Wahnsinn, wie sehr sie dieses Gefühl weitergeben können.
Da mein Herz seit über zehn Jahren (wie die Zeit vergeht… O_O) primär für J-Rock schlägt und ich durch das Lesen von Yoshikis Biographie und durch zahlreiche Interviews ein gutes Bild davon habe wie schwer es für diese Art von Musik am Anfang war kann ich diesen Männern einfach nur von Herzen für das Dankbar sein, was sie durch ihren Ehrgeiz, ihren Willen, ihr Talent und ihren Mut erreicht und ermöglicht haben.
hides Stellenwert ist natürlich in der ganzen Fanbase immerzu präsent und auch bei mir hat er einen besonderen Platz.
Auch heute noch sehe ich mir regelmäßig Konzert-DVDs und Kollektionen von ihm an und genieße seine Musik. (das letzte Mal, als ich eben nach dem Populärkulturkurs zurück nach Hause gefahren bin 😀 )
Er war ein wahres Naturtalent.
Das mit dem Selbstmord ist eine sehr umstrittene Sache, da die Todesursache auch heute noch als nicht geklärt gilt… sein regelmäßiger Alkoholgenuss spielt dabei natürlich auch eine Rolle.
X Japan stellt für mich nicht nur irgendeine, wirklich sehr gute, Band dar, sondern ist eigentlich schon legendär und auch die Einzelprojekte der Musiker sind sehr empfehlenswert. Immerhin hat Hollywood das auch schon erkannt, während ich von vielen Seite oft nur Kopfschütteln ernte. 😀
Doch hinter dem (früher visuell natürlich noch viel extremeren) Auftreten steckt einfach pures Talent!
Ich hoffe sehr darauf, dass das von Yoshiki versprochene Klassikkonzert in Deutschland im Mai stattfinden wird, denn neben der Rock-Musik ist dieser Mann an seinem Flügel einfach nur umwerfend!
Ich könnte stundenlang schwärmen, da es sich bei dieser Band wirklich um eine Herzenssache von mir handelt, aber möchte hier nicht übertreiben, sondern dir lieber für den Artikel danken, da diese Männer definitiv einen Meilenstein gelegt haben, was die heutige J-Rock-Szene angeht. ^.^
Wer sich für Rockmusik interessier sollte sie unbedingt einmal live sehen!
Frau Koelpin, Sie scheinen als langjähriger Fan fast schon eine ideale Interviewpartnerin zu sein … vielleicht stürzt sich ja jemand auf Sie 😉
Toll, dass Sie auch schon die Gelegenheit hatten, ein Konzert zu besuchen!