Beruf: Zocker? Geht denn das? – eSports in Japan

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Flickr cc, Charlotte Powell

„eSport? Was ist das überhaupt?“ – „eSport“ hat sich in den letzten 15 Jahren als Oberbegriff für alle Arten von „elektronischem Sport“ etabliert und umfasst damit alle Spiele, die man virtuell spielen und als Plattform für den Wettkampf mit anderen echten Spielern nutzen kann. Die breite Pallete an eSport-Titeln reicht von Simulationen „realer“ Sportarten (bspw. Fifa), über Strategiespiele (StarCraft), First-Person-Shooter (Counter-Strike), sog. MOBA’s (League of Legends, Dota) bis hin zu Fighting Games (Street Fighter). Den letzteren beiden Arten von eSport-Titeln will ich mich im folgenden detaillierter widmen. Unter Anderem habe ich mich zu diesem Zweck mit einem Shoutcaster der JCG, Cory Swanson, unterhalten.

Multiplayer Online Battle Arena“ (kurz MOBA) ist eine abwandelte Form eines Strategiespiels, bei dem man nun nicht mehr als Oberbefehlshaber einer Armee fungiert, sondern lediglich eine einzige Spielfigur steuert, mit der man, ähnlich einem traditonellen Rollenspiel, durch das Töten von Monstern und gegnerischen Spielern Erfahrung und Gold bekommt, wodurch die Spielfigur stärker wird. Im kompetitiven Bereich werden MOBA’s für gewöhnlich im Modus „5 gegen 5“ gespielt. Beide Teams versuchen sich durch taktische und spielerische Überlegenheit einen Vorteil zu erarbeiten, um so schließlich das Haupthaus des gegnerischen Teams zu zerstören und damit das Spiel zu gewinnen. Äußerst beliebt in diesem Bereich sind derzeit die free-to-play-Titel „League of Legends“ und „DotA2“.

Fighting Games hingegen bewegen sich auf einer simpleren Grundlage. Gekämpft wird 1 gegen 1. Beide Spieler wählen aus einer Fülle von Charakteren ihren Wunschhelden, die alle verschiedene Fähigkeiten haben und versuchen durch spielerisches Können die Lebenspunkte des Gegners auf Null zu bringen. Besonders Populär ist vor allem die „Street Fighter“-Reihe.

Während sich MOBA’s mittlerweile auf der ganzen Welt größter Beliebtheit erfreuen, Preisgelder in Millionenhöhe ausgeschüttet werden und ganze Arenen innerhalb von Minuten ausverkauft sind, leistet immer noch ein kleines gallisches Dorf Land widerstand. InJapans Nachbarländern China und Südkorea sind MOBA’s bereits Teil des Alltags, jedoch konnten sich „League of Legends“ und „DotA2“ im Land der aufgehenden Sonne gerade mal als Randerscheinungen etablieren. Doch woran liegt das?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen habe ich unter anderem Cory Swanson ein paar Fragen gestellt, welcher neben seiner Tätigkeit als Assistant Language Teacher in Chiba auch als Kommentator für die JCG (Japan Competitive Gaming) arbeitet.

So sieht Swanson das Hauptproblem vor allem in der Akzeptanz durch die Öffentlichkeit Japans. In den steifen Strukturen der japanischen Gesellschaft habe ein Junge mit dem Traum einmal ein professioneller Computerspieler zu werden einfach keinen Platz. Im Gegensatz zu westlichen Spielern wie Carlos „ocelote“ Rodriguez Santiago, die durch das Streamen ihrer Spiele im Internet und durch Verträge mit Sponsoren jährliche Gehälter im mittleren 6-stelligen Bereich (ohne Preisgelder!) erhalten, seien die wenigen „professionellen“ japanischen League of Legends Spieler meist Studenten, die einfach mehr Zeit für solche Dinge aufbringen können – ohne Vergütung.

Weitere Probleme sind laut Swanson sowohl die Sprachbarriere, welche das Englische darstellt, als auch die fehlende hochpreisige Ausstattung am Heimcomputer. Ebenso seien viele Japaner meist den ganzen Tag unterwegs, weshalb vor allem der „mobile games“-Markt boomt. Handhelds wie der Nintendo 3DS, Sony’s PlayStation Portable oder einfache Spiele für das Handy dominieren den japanischen Spielemarkt. Hinzukommt, dass eine normale Partie „League of Legends“ auch mal eine Stunde dauern kann, wofür der durchschnittliche Japaner häufig keine Zeit hat.

So schwarz wie vorher dargestellt will Swanson die Zukunft des japanischen eSports auf dem Computer jedoch nicht malen. Vor allem in den Bemühungen der JCG sieht er großes Potenzial, um mehr und mehr Japaner auf League of Legends, StarCraft2 und Co. aufmerksam zu machen. So hat die JCG, welche die größte Organisation für kompetitive Computerspieler in Japan ist, bereits 3 Ligen für jedes Spiel gegründet – eine professionelle Liga, eine für Amateure und eine freie Liga, offen für alle Spieler. Besonders die offene Liga scheint sich mittlerweile großer Beliebtheit zu erfreuen, so sagt Swanson: „Open Class for League [of Legends] draws nearly 100 people a week, which might seem small, but is huge compared to what it would have gotten half a year ago.

Während meiner näheren Betrachtung mit dieser Thematik wirkte jedoch vor allem die fehlende Akzeptanz in der japanischen Gesellschaft immer mehr wie ein Teufelskreis, der nur durch externe Hilfe durchbrochen werden kann. Durch die fehlende Akzeptanz in der japanischen Gesellschaft gibt es nur sehr wenige Spieler, die genug Zeit investieren und die Motivation haben zur internationalen Spitze aufzuschließen. Jedoch ziehen nur diese Spieler und Teams das Interesse von Sponsoren und den Medien auf sich. Aus den fehlenden hochklassigen Spielern resultiert fehlendes mediales Interesse, was wiederum zu noch weniger Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft führt. Dies scheint auch der Entwickler und Publisher von „League of Legends“, Riot Games, erkannt zu haben, welcher in diesem Jahr eine Aussenstelle in Japan errichten will, um direkt in Japan Werbung für „LoL“ zu machen.

Das es in Japan jedoch auch anders geht, zeigt die „Fighting Game“-Szene, welche sich weltweit ein wenig isoliert vom restlichen eSport entwickelte und nun jedoch immer mehr ins Zentrum der Szene rückt. In Japan hingegen ist vor allem die Paradedisziplin „Street Fighter“ bereits seit Jahren ein Publikumsliebling und Spieler wie Umehara „The Beast“ Daigo und Taniguchi „Tokido“ Hajime können von ihren Sponsorenverträgen sogar ein recht gutes Leben bestreiten.

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Avatar von Umehara Daigo, Flickr cc, Eben Selker

Umehara, welcher bereits seit 1997 regelmäßig an Street Fighter-Turnieren teilnimmt, hat bereits 2001 ein Buch über sein Leben veröffentlicht und gilt als der erfolgreichste Street Fighter-Spieler aller Zeiten, wofür er sogar einen Eintrag ins Guiness Buch der Rekorde erhalten hat. Sowohl Umehara, als auch Taniguchi treten ab und zu in Fernsehshows auf und stellen dort gegen Prominente ihre Fähigkeiten unter Beweis. Taniguchi hat sogar im Jahr 2011 eine eigene Internetshow gegründet, Topanga TV, welche man sich jeden Mittwochabend als Live-Stream anschauen kann. Bemerkenswert ist auch, dass Taniguchis Eltern sein Hobby tolerieren, auch wenn es, laut Taniguchi, kein beliebtes Thema am Esstisch sei. Obwohl nicht ansatzweise so extrem und auch nur für eine spezielle Zielgruppe, lässt sich bei Taniguchi und Umehara doch eine gewisse Ähnlichkeit zu den zur Zeit sehr populären japanischen „Idols“ feststellen. Beide Spieler sind mehr und mehr von ihrer bloßen Spielertätigkeit abgewichen und haben sich ein zweites Standbein aufgebaut. Jedoch spielen beide immer noch auf einem äußerst hohen Niveau und gewinnen regelmäßig Turniere.

Sind sie damit „aidoru“ und „tarento“ gleichzeitig? Oder keins von beidem? Was denkt ihr? Oder habt ihr auch schon einmal Erfahrung mit eSports gemacht? Habt sogar eure eigene Theorie, warum Japan möglicherweise so fixiert auf Fighting Games und die Konsole ist? Schreibts in die Comments!

7 Gedanken zu „Beruf: Zocker? Geht denn das? – eSports in Japan

  1. Vielen Dank für den spannenden Artikel! Ich kann nicht gerade behaupten, dass ich mich in diesem Bereich gut auskenne – umso interessanter, von Ihnen so ausführliche Informationen zu erhalten. Sehr gut finde ich, dass Sie sich einen kompetenten Ansprechpartner gesucht und ihn zur Sache befragt haben. Auch ist Ihr Artikel schön flüssig geschrieben und stellt sehr schön die Spezialsituation in Japan dar. Lediglich über Begriffe wie „Shoutcaster“ bin ich als Unwissende erst einmal gestolpert.

    Ich glaube, Personen wie Umehara würde man wohl eher als eine Art tarento sehen und weniger als Idol (wenn auch zwischen beidem nicht wirklich trennschaft unterschieden werden kann). Interessanter finde ich aber sowieso die Frage, weshalb die eSports in Japan bisher eine andere Entwicklung genommen haben als anderswo.

    Vielleicht liegt es auch an der Popularität von Came Centers? In Japan gibt es ja meines Wissens eine lange Tradition, sich dort zu Street-Fighter-Kämpfen zu treffen. Das ist wohl ohne größeren Aufwand möglich, man schaut einfach an den beliebten Treffpunkten der besten Spieler vorbei und findet dort für gewöhnlich auch Gegner. Könnte das nicht auch ein Grund sein?

  2. Sehr interessanter Beitrag!

    Als ich in Japan war gab es noch keinen japanischen Server von League of Legends und da ich aber während meines Aufenthalts nicht zu sehr aus der Übung kommen wollte und der Ping nach Europa einfach unmöglich war, habe ich mich dazu entschieden auf dem Singapur-Server zu spielen. Der nähere Server wäre eigentlich China gewesen, aber da ich absolut kein Chinesisch kann, hab ich geglaubt dass ich mit dem Interface da gar nicht zurecht kommen würde. Der Singapur-Server hat für mich sehr gut funktioniert, weil die meisten Leute Englisch gesprochen haben und auch ziemlich freundlich waren (im Vergleich zum europäischen Server zumindest).

    Ich denke aber, dass die Hemmschwelle für japanische Spieler ziemlich groß war, wenn kein eigener Server vorhanden ist, einfach auf einem Server zu spielen, auf dem eine vollkommen andere Sprache gesprochen wird. Besonders, da das Spiel ja nicht gerade simpel ist und man auf ständiges Feedback des Teams angewiesen ist. Wäre mal interessant zu beobachten, ob League of Legends jetzt in Japan beliebt werden könnte – genug Budget um es zu bewerben hat Riot sicher.

    Dass Fight Games gut ankommen überrascht mich auch nicht, da diese ja eng mit Konsolen bzw. Arcade-Versionen verbunden sind. Game-Center sind ja heutzutage auch noch sehr beliebt, wenn man nicht gerade eine Spielkonsole zu Hause hat. Ich denke, dass sich PC-Gaming in Japan einfach immer noch nicht besonders durchgesetzt hat, das Angebot von Konsolen-Spielen ist einfach sehr erschlagend. Im Umkehrschluss ist auch der PC-Markt so eine Marktlücke, die von japanischen Spieleentwicklern konsequent ignoriert wird. Der PC-Port von Dark Souls beispielsweise ist völlig unspielbar ohne angeschlossenen Controller und selbst dann hapert es sehr mit der Grafik – aber für Dark Souls 2 hat Miyazoe ja Besserung gelobt.

    Obwohl Videospiele ein Markt sind, der immer weiter wächst und viel von einer globalen Fangemeinde profitiert, habe ich immer noch den Eindruck, dass dort ein bisschen „aneinander vorbei“ gelebt wird.

  3. Vielen Dank für den interessanten Artikel. E-Sports sind ja sicher ein Thema, das in den nächsten Jahren noch mehr an Bedeutung gewinnen dürfte.

    Was mich ein wenig stutzig gemacht hat: Swanson sieht ja verschiedene gesellschaftliche Gründe dafür, warum E-Sports in Japan nicht so populär sind wie in manchen anderen Ländern. Unter anderem nennt er fehlendes gesellschaftliches Ansehen des Berufsbilds „professioneller Computerspieler“ und die Tatsache, dass viele Japaner lange/oft unterwegs sind (ich schätze arbeitsbedingt) und daher lieber auf kurze Zwischendurchspiele zurück greifen.
    Das leuchtet mir zwar einerseits natürlich ein, andererseits frage ich mich aber, ob diese Punkte denn wirklich in anderen Ländern so sehr anders ausfallen bzw. was diese Dinge gerade in Japan so ausschlaggebend dafür macht, dass der E-Sport dort weniger populär ist als z.B. in Südkorea. Also ist es wirklich so – ganz überspitzt gesagt – dass bspw. ein südkoreanischer Jugendlicher sagen kann „Ich werde von Beruf Gamer“ und alle schreien Hurra?
    Und unterscheiden sich die Zeitspannen, die man außer Haus ist, in Japan wirklich so sehr von anderen Ländern?
    Hat sich Swanson zu dem Thema vielleicht mal etwas genauer geäußert? Bzw. wie siehst Du als Autor dieses Eintrags das? Denn irgendwie kann ich mir das nicht so ganz richtig vorstellen…

    1. Im Interview hat er Japan auch mit Südkorea verglichen, er sagte dazu folgendes:
      „Honestly, it’s a bit similar to Korea in that because it was proven that Koreans could actually make enough money to play games it was looked down upon, and even with the „idol status“ that some stars enjoy, gaming is still not something generally looked upon favorably as a long-term plan [in Korea].“

      Es ist glaube ich in keinem Land der Welt derzeit so, das ein Kind sagen kann, es möchte Pro Gamer werden und die Familie sieht darin von vorne herein etwas Gutes. Allerdings ist Korea im Bezug auf den eSport und Videospiele generell meiner Meinung nach unglaublich merkwürdig. Einerseits werden die Spieler dort verehrt wie bei uns professionelle Fussballspieler und die Gesellschaft ist verrückt danach, andererseits akzeptiert man dann den Wunsch Jugendlicher nicht, die ihr Glück im eSport versuchen wollen und vor allem die Gesetzlage macht es vor allem dem Nachwuchs doch sehr schwer. Bspw. die 2 Jahre Wehrdienst, die jeder Koreaner ableisten muss, welche schon das ein oder andere Top Team auseinandergerissen haben. Ebenso wurde erst vor kurzem ein Gesetz verabschiedet, was die Spielzeit jedes Spielers, der nicht volljährig ist, auf maximal 5 am Tag reduziert.

      Die Koreaner spielen derzeit so viel besser als jede andere Nation, weil viele Spieler dort wirklich als Vollprofi ihr Spiel spielen können und so den ganzen Tag trainieren, doch immer mehr internationale Spieler ziehen nach, vor allem durch die Bemühungen von Riot Games.

  4. Stimmt, jetzt wo Du es sagst, fällt mir auch auf, dass das in Japan nicht so verbreitet ist. Auffällig ist ja, dass sich das in Korea ja in die total entgegen gesetzte Richtung entwickelt hat. Da ist ja das professionelle Gaming ziemlich beliebt und haben auch richtige Fans 😀 Aber hier wäre es auch interessant zu beobachten, wie unterschiedlich die Gesellschaften jeweils sind. Ich denke, dass es hauptsächlich der Aufwand ist. So dauert Lol ja manchmal wirklich was länger und wenn man am Ende verliert, war das alles ja so gut wie vertane Zeit (oder irre ich mich da?) Und es ist ja bekannt, dass das Schulsystem nicht gerade viel Freizeit offen hält. Und selbst meine Eltern regen sich schon auf, wenn ich zu lange am Laptop sitze, da muss es in so fertig strukturierten Tagesabläufen noch weniger hinein gehören. Ich bevorzuge ja MMO RPGs. Ich mein, man kann aufhören wann immer man will (wenn man nicht gerade in einer Instanz ist) . Lediglich das Suchtpotenzial ist verherend. Aber LOL ist eh ziemlich Geschmacksache.

  5. Danke für den interessanten und äußerst informativen Artikel. Ich hatte im Vorfeld kaum Vorkenntnisse zu eSports, beziehungsweise eSports in Japan. Aufgrund der präzisen Erläuterung konnte ich mir jedoch ein eigenes Bild machen. Überrascht war ich über die Tatsache, dass es „Profi Zocker“ gibt, die durch Verträge mit Sponsoren derartig hohe jährliche Gehälter beziehen.

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