
Dieser Eintrag ist für alle gedacht, die sich ein wenig für Lolita-Fashion, oder im weiteren Sinne alternative Lebensstile interessieren. Ich möchte euch in diesem kleinen Essay nämlich folgenden Text näherbringen, über den ich im ILIAS gestolpert bin:
YOUNKER, Terasa (2011): Lolita: Dreaming, Despairing, Defying
Wie fängt man einen solchen Beitrag am besten an? Ich bin da bei Weitem nicht so kreativ, wie die Autorin dieses Textes. In dem lautet nämlich der erste Satz folgendermaßen:
„If one enters the basement of street fashion hub Laforet in Harajuku, Tokyo, one will come across a curious fashion creature found almost exclusively in Japan: An adult woman, usually in her late teens or early twenties, dressed like a doll.“
Aha, es geht also um Erwachsene, die sich anziehen wie Puppen. Ich fand das interessant, weil ich zwar natürlich schon von Lolita-Mode gehört habe, aber eigentlich nur das typische Erscheinungsbild von Gothic Lolitas kenne. Beim Lesen klärte sich dann schnell, dass es ganze Untergruppen dieser Subkultur zu unterscheiden gilt, die alle ihre eigenen Vorlieben haben: Sweet Lolita, Classic Lolita, Grotesque Lolita, Pirate Lolita… Anfangs gibt die Autorin einen kleinen Überblick über die Erkennungszeichen der verschiedenen Gruppen und erklärt dann auch im Anschluss, worum es hier überhaupt geht – nämlich um persönliche Studien in der Lolita Szene in Japan, die sie selbst durchgeführt hat, kaum dass sie die Uni abgeschlossen hatte.
Das ist übrigens mit ein Punkt, wegen dem ich den Text nur empfehlen kann: Da die Autorin noch relativ jung ist, sind ihr Satzbau und Stil für Studenten sehr angenehm zu lesen. Der Text ist gut zu verstehen und verwendet keine hochtrabenden Fachausdrücke, die einem das Leben schwer machen. Beim Lesen fühlt man sich der Autorin sehr nah und gerade die szenisch geschriebenen Parts gefielen mir, denn bei Teilen des Textes handelt es sich um Interviews, die ähnlich in den Fließtext eingebaut sind wie Gespräche in einen Roman.
An dieser Stelle ist natürlich klar, dass es sich nicht um den typischen wissenschaftlichen Fachtext handelt. Allerdings zeigen die Gespräche schön bildhaft, woher die Erkenntnisse der Autorin stammen, und man prägt sich die verschiedenen Problematiken nicht nur viel besser ein, sondern findet es sogar spannend weiterzulesen (Ein persönliches Beispiel: Ich wollte den Text die Woche über lesen und war schon am Montag fertig).
Neben den Lolita-spezifischen Details erfährt man außerdem ganz nebenbei mehr über das japanische Bildungssystem, die Sozialstrukturen und ein wenig auch über andere Bereiche der Populärkultur, z.B. shôjo.
Ein paar der Aussagen sind mit Sicherheit diskussionsbedürftig, wie z.B. die Idee, dass der Umgang mit Niedlichkeit („cuteness“) nicht nur den Beschützerinstinkt anspricht, sondern auch den Willen zu Manipulieren und sadistische Kontrolle auszuüben (vgl. Younker 2011: 99). Ich will mich da nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, da besonders diese meiner Meinung nach nicht unbezweifelbaren Passagen meist mit jeder Menge Fußnoten ausgestattet waren, und ich die dazugehörige Fachliteratur nicht kenne. Aber gerade dadurch werden Facetten in der Lolita-Subkultur deutlich, die mir vorher niemals in den Sinn gekommen wären, was mir schon den einen oder anderen Denkanstoß gab.
Wenn ihr also
- Lust habt, etwas über Lolitas und ihren Lebensstil zu erfahren
- etwas über die Arbeit in einem Lolita Shop erfahren wollt
- die Gründe kennen wollt, aus denen trotz einiger markanter Geschlechterun- gleichheiten in Japan kaum offen protestiert wird
- verstehen wollt, warum Lolita Fashion und Lolicon absolute Gegenteile sind
- erfahren wollt, was aus Lolitas wird, wenn sie älter werden
- schon immer mal wissen wolltet, warum in Japan vieles so kawaii ist,
dann schaut euch den Text an. Es sind gerade mal 13 Seiten, von denen man aber meiner Meinung nach viel mitnehmen kann.
Vielen Dank für die interessante Artikelvorstellung! Ich habe noch einen Link eingefügt, so dass man sich den Artikel jetzt ganz leicht herunterladen kann (zumindest wenn man hier im Uni-Netz ist, von zuhause habe ich es noch nicht versucht).
Durch die Rezension bekommt man richtig Lust, den Artikel zu lesen.
Ähnlich wie du kannte ich das Thema Rund um die Lolitas natürlich. Und gerade am Japantag bekommt man davon ja auch ziemlich viele zu Gesicht. Dass es so viele Unterkategorien gibt, wusste ich z.B. auch nicht (die Gothic-Lolita war mir natürlich bekannt, aber Pirate-Lolita?: interessant).
Ich finde sprachlich hast du dein Essay gut gestaltet, es liest sich fließend. Schön fand ich das Zitat am Anfang und die Aufzählung am Ende welche Interessen der Text abdeckt.
Mich selber interessiert das Thema eher weniger, deswegen reicht mir dein Essay dazu schon aus, aber wer weiß, wenn ich irgendwann mal Langeweile habe, schau ich ihn mir vielleicht doch noch mal an.