
Ihr Image ist makellos, sie sind immer fit und energetisch, haben stets ein Lächeln parat – und die Medien sind gleichzeitig immer auf der Suche nach kleinen dunklen Geheimnissen, die sich hinter der perfekten Fassade verbergen könnten. Japanische „Idols“ (aidoru), also „highly produced and promoted singers, models and media personalities“ (Gabraith/Karlin 2012: 2), sind zentrale Figuren in der japanischen Populärkultur und leisten einen wesentlichen Beitrag bei der Erzeugung von Konsumanreizen. Wir haben uns im Seminar am Mittwoch die Einleitung zu dem Sammelband „Idols and Celebrity in Japanese Media Culture“ von Galbraith und Karlin angesehen und einige diskussionswürdige Punkte entdeckt.
Den Begriff aidoru kann man nicht einfach ins Deutsche übersetzen: Ein „Idol“ ist im Deutschen ein Vorbild oder ein Abbild eines Gottes, dem man Verehrung zollt. Auch aidoru sind für ihre Fans „objects of desire“ und „ideal constructs“, die mit einer großen emotionalen Bedeutung aufgeladen sind. Eine Vorbildfunktion steht dabei aber weniger im Vordergrund, und nicht nur die Fans bezeichnen die Sänger, Schauspieler und Models als „Idols“, es handelt sich um einen allgemeinen Begriff, der von Medien und Publikum für alle Personen dieser Kategorie verwendet wird.
Ein ähnlicher Begriff, der sich mit aidoru überschneidet, ist tarento („Talent“). Galbraith und Karlin bezeichnen tarento abfällig als „mostly interchangeable group of largely untalented celebrities“ (6). Nützlicher ist ihre Anmerkung, dass es sich um Personen handelt, die in verschiedenen Medien und Genres präsent sind und häufig auch dazu da sind, Fernsehsendungen zu kommentieren. Außerdem werden sie bei Alltagserlebnissen begleitet, als eine Art Reality-TV – wodurch sie für die beiden Autoren ein Bedürfnis nach „normalen Menschen“ im Fernsehen abdecken. Eine klare Trennlinie zwischen aidoru und tarento kann aber nicht gezogen werden, die Begriffe werden häufig synonym verwendet.

Durch die Omnipräsenz der Idols, nicht nur im Fernsehen, sondern vor allem auch auf Werbeflächen, Produkten und durch Beschallung im öffentlichen Raum, werden sie laut Galbraith und Karlin zu Vertrauten: „In the daily routine of life in contemporary Japan, one might have more contact with a particular idol or celebrity than with one’s own family. This is the basis for feelings of intimacy“ (9). Auch wenn diese Aussage in unserer Runde nicht unumstritten war, haben doch einige die Erfahrung gemacht, in Japan – unfreiwillig – mit bestimmten Idols schnell so vertraut geworden zu sein, dass man ihre Lieder mitsingen kann, selbst wenn man sich nie dafür interessiert hat.
Wie zum Beispiel der Skandal um die AKB48-Sängerin Minegishi Minami gezeigt hat, die sich Anfang 2012 nach dem Bekanntwerden ihrer Affäre mit einem Boygroup-Sänger die Haare abrasierte, werden Idols von ihren Produzenten häufig streng zu einem bestimmten Lebensstil angehalten. Die Medien stürzen sich auf die Fälle, in denen es kleine Abweichungen vom „perfekten Weg“ gibt, und das Privatleben der Idols spiegelt sich stets in ihren professionellen Auftritten. Kimura Takuya, Mitglied von SMAP, hat selbst einmal in einem Interview gesagt, dass er „public property“ (kôkyô-butsu) sei (18).
Der Blick Galbraiths und Karlins auf das japanische Idol-System wirkt wesentlich pessimistischer als zum Beispiel Henry Jenkins theoretische Ansätze zum Fandom, die von einem produktiven, kreativen Konsumenten ausgehen. Sie sprechen von einer Infantilisierung der Idols, die mit Unschuld und apolitischer Jugend in Verbindung gebracht werden, ebenso wie des Publikums, das dieses Bild konsumiert. Auch die Texteinblendungen im Fernsehen (telop) und die Einblendung von Reaktionen anderer Prominenter (VTR) steuerten, so die Autoren, die Emotionen des Publikums, „wich makes the audience less active and productive in interpreting the meaning of the content being presented“ (16). Hier gab es in unserer Diskussion Einwände – auch Idol-Fans seien sehr produktiv darin, eigene Werke zu schaffen, die spielerisch mit den vorgegebenen Formen umgehen.

Kritisch wird im Text auch das Konzept von AKB48 beleuchtet, der Gruppe von „idols that you can meet“, die in den letzten Jahren enorm erfolgreich ist. Bei den „general elections“, bei denen das beliebteste Mitglied gewählt wird, dürfen Fans nur mitwählen, wenn Sie CDs kaufen – für jede CD eine Stimme. Mit dem Kauf zeige ein Fan somit seine Liebe zu einem bestimmten Idol, das System erzeuge eine „equation of votes with emotion“ (22), die von den Autoren als eine Art des Warenfetischismus bezeichnet wird.
In der Diskussion über Idols, das hat unsere Sitzung gezeigt, ist noch längst nicht alles gesagt worden. Für alle die noch mehr erfahren möchten, gibt es in unserem Blog auch einen kleinen Überblick über die Entwicklung vor allem weiblicher Idols in Japan.
Ein Gedanke zu „Vertrauter als die eigene Familie? Japanische Idols (aidoru)“